Umgangskosten nach SGB VIII und SGB II
Kosten des Umgangsrechts, Sonderbedarf im Sinne von Hartz IV, SGB VIII
Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts sind unabweisbare abweichende Bedarfe und sind daher Regelsatzerhöhend auf Beihilfenbasis zu gewähren.
Unter Geltung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller den zusätzlichen, unabweisbaren, anderweitig nicht gedeckten Sonderbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts im Wege verfassungskonformer Auslegung der Rechtsfolge des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht lediglich als Darlehen, sondern als Zuschuss in analoger Anwendung der Rechtsfolge des § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB XII zu gewähren.
Gericht
- Sozialgericht Dresden
Entscheidungsart
- Beschluss
Datum der Entscheidung
- 05.11.2005
Geschäftszeichen
- S 23 AS 982/05 ER -
BESCHLUSS
In dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren
des Herrn ...,
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...,
Aktenzeichen:
gegen
die SGB II – Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Dresden, vertreten durch den Geschäftsführer, Budapester Straße 30, 01069 Dresden,
Aktenzeichen:
- Antragsgegnerin -
hat die 23. Kammer des Sozialgerichts Dresden durch ihren Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Schnell, ohne mündliche Verhandlung am 5. November 2005 folgenden Beschluss erlassen:
I.
Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 2. September 2005 vorläufig, ab November 2005 (zunächst befristet bis einschließlich April 2006) monatliche, im Voraus zu erbringende Geldleistungen durch Übernahme der notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten des Antragstellers zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn N. in Höhe von monatlich 44,00 € Zuschussweise (und nicht nur Darlehensweise) zu gewähren. Die Höhe des monatlichen Betrages steht unter dem Rückforderungsvorbehalt, dass dem Antragsteller tatsächliche, notwendige und angemessene Fahrt- und Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 169,00 € entstehen.
II.
Dem Antragsteller wird auferlegt, der Antragsgegnerin monatlich nachträglich die tatsächlichen, notwendigen und angemessenen Fahrt- und Unterkunftskosten nachzuweisen.
III.
Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten.
G R Ü N D E:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Kosten, die dem Antragsteller durch die Ausübung seines Umgangsrechts mit dem von ihm getrennt, in der Nähe von Karlsruhe lebenden leiblichen Sohn N. entstehen.
Der am ... 1966 geborene, seit ... 2002 von seiner früheren Ehefrau geschiedene Antragsteller ist Vater des am ... 1999 geborenen Kindes N., für welches er sich gemeinsam mit seiner früheren Ehefrau das Sorgerecht teilt. Sein Sohn N. hält sich bei seiner leiblichen Mutter, der früheren Ehefrau des Antragstellers, in W... (in der Nähe von Karlsruhe liegend) auf. Aufgrund Umgangsvereinbarung des Antragstellers mit seiner früheren Ehefrau vom 2. November 2004 wurde der Kontakt des Antragstellers einvernehmlich mit seiner früheren Ehefrau zum gemeinsamen Kind geregelt. Entsprechend dieser Umgangsvereinbarung hat der Antragsteller ein regelmäßiges Umgangsrecht mit seinem Sohn N. aller 14 Tage am Samstag und Sonntag (beginnend am Samstag, dem 13. November 2004), konkret: Samstag ab 14.00 Uhr bis 19.00 Uhr und Sonntag ab 14.00 Uhr bis 19.00 Uhr, zu dem der Antragsteller das Kind jeweils abholt und auch wieder zurückbringt. Der Antragsteller war bis Ende April 2005 in der Nähe seines leiblichen Sohnes N. berufstätig und konnte sein Umgangsrecht problemlos wahrnehmen.
Der Antragsteller ist seit 7. Mai 2004 verheiratet mit Frau S., die derzeit arbeitslos ist. Zur Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers mit seiner Ehefrau gehört weiterhin das am ... 2002 geborene gemeinsame Kind J. an. Die Ehefrau des Antragstellers bezog bis einschließlich 12. August 2005 Arbeitslosengeld I in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 13,17 €. Der Antragsteller bezog ab 1. Mai 2005 Arbeitslosengeld I in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 44,33 €. Mit Eintritt der Arbeitslosigkeit des Antragstellers ist der Antragsteller allein in Dresden bei seiner jetzigen Ehefrau und seinem Kind J. wohnhaft. Der Antragsteller bezog bis einschließlich 14. September 2005 Arbeitslosengeld I. Seit 15. September 2005 geht er einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Dresden nach, aus der er einen monatlichen Arbeitslohn in Höhe von 1.600,00 € brutto (= ca. 1.245,00 € netto) erzielt. Die Antragsgegnerin erbringt der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II wie folgt:
• mit Bewilligungsbescheid vom 1. September 2005 wurde der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. August 2005 in Höhe von 194,72 € monatlich sowie für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von 340,76 € monatlich bewilligt,
• mit Änderungsbescheid vom 29. September 2005 wurde der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. August 2005 in Höhe von 217,52 € monatlich sowie für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von 376,76 € monatlich bewilligt,
• mit Änderungsbescheid vom 4. Oktober 2005 wurde der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. August 2005 in Höhe von 217,52 € monatlich, für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 30. September 2005 in Höhe von 756,94 € monatlich sowie für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von 1.089,60 € monatlich bewilligt,
• mit Änderungsbescheid vom 20. Oktober 2005 wurde der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. August 2005 in Höhe von 217,52 € monatlich, für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis 30. September 2005 in Höhe von 576,04 € monatlich sowie für den Zeitraum vom 1. Oktober 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von 701,45 € monatlich bewilligt.
Zur Wahrnehmung seines Umgangsrechts beabsichtigt der Antragsteller einmal monatlich mit der Bahn nach Karlsruhe und zurück zu reisen, wobei er eine Pension für die Übernachtung von Samstag auf Sonntag in Anspruch zu nehmen beabsichtigt. Solche monatlichen Besuche seines Kindes nahm der Antragsteller bis einschließlich Juli 2005 regelmäßig wahr. Für die einfache Bahnfahrt fallen Kosten in Höhe von jeweils 92,00 € an. Die Kosten der Unterkunft betragen für die Übernachtung in einer Pension täglich jeweils 30,00 €.
Am 2. September 2005 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Fahrtkosten sowie weiterer sonstiger Kosten zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn N. als Beihilfe. Zur Begründung führte er aus, dass seine Ehefrau im Bezug von Arbeitslosengeld II stehe und zu ihrer Bedarfsermittlung sein Einkommen herangezogen worden sei. Kosten für die mit dem Jugendamt und seiner geschiedenen Frau geschlossenen Umgangsvereinbarung seien nicht berücksichtigt worden. Aus diesem Grund würden ihm die Mittel zur Finanzierung der Fahrten zur Ausübung seines Umgangsrechtes mit seinem Sohn N. fehlen. Die dafür erforderlichen Mittel stünden ihm nicht zur Verfügung. Die Ausübung des Umgangsrechts gehöre zum notwendigen Lebensbedarf. Ein Ermessen des Sozialleistungsträgers sei diesbezüglich nicht gegeben, so dass eine Ablehnung nicht gerechtfertigt sei. Kosten der Ausübung des Umgangsrechts seien als Grundbedürfnisse des täglichen Lebens ohne Rücksicht auf Verwertbarkeit und Finanzierbarkeit zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 8. September 2005 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Übernahme der Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts ab. Zur Begründung führte sie aus: Die vom Antragsteller beantragte Sonderleistung sei durch das Einkommen des Antragstellers abgedeckt und stelle nach den vorliegenden Unterlagen keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar, so dass eine Übernahme der Kosten nicht möglich sei.
Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 26. September 2005 Widerspruch ein, der mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Oktober 2005 begründet wurde.
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2005, der beim Sozialgericht Dresden am 7. Oktober 2005 einging, beantragte der Antragsteller beim Sozialgericht Dresden einstweiligen Rechtsschutz auf der Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2005 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Leistungen zur Übernahme von Kosten, welche im Rahmen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit Angehörigen entstehen, könnten allenfalls als Leistungen nach § 73 SGB XII durch den nach §§ 97 bis 99 SGB XII zuständigen Sozialhilfeträger erbracht werden. Da die Antragsgegnerin als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II nicht der zuständige Sozialhilfeträger sei, könne schon aus diesem Grunde keine Übernahme der beantragten Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts erfolgen. Die Wahrnehmung des Umgangsrechts stelle keinen unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II dar. Ein Bedarf sei nur dann unabweisbar, wenn er nicht aufschiebbar, daher zur Vermeidung einer akuten Notsituation unvermeidlich sei und nicht erwartet werden könne, dass der Hilfebedürftige diesen Bedarf mit der nächsten Regelleistung ausgleichen könne. Die Wahrnehmung des Umgangsrechts könne durchaus aufgeschoben werden. Ein ggf. aus objektiven (z.B. finanziellen) Gründen verschobener Besuch des leiblichen Kindes stelle im Regelfall keine akute Notsituation dar, zumal Nichtanspruchsberechtigte von Sozialleistungen diese Einschränkungen auch hinnehmen müssten. Es könne vom Antragsteller sehr wohl erwartet werden, aus seinem eigenen Einkommen (Arbeitslosengeld nach dem SGB III bis 14. September 2005 bzw. Arbeitsentgelt ab 15. September 2005) entsprechende Beträge anzusparen, um die Kosten für die Besuche bei seinem leiblichen Sohn aufzubringen. Eine akute Notsituation nach § 23 Abs. 1 SGB II sei auch deshalb nicht erfüllt, da dem Antragsteller nicht erst seit Antragstellung bekannt sei, dass Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehen würden. Die Entstehung der Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts stelle also keine unvorhergesehene erwachsene Notsituation dar. Auf die Höhe der Kosten könne bereits im Vorfeld Einfluss genommen werden. Ferner seien die Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts erst durch das Handeln des Antragstellers entstanden (Wegzug aus der näheren Umgebung des leiblichen Sohnes). Diese Kosten hätten daher vermieden werden können und wären insoweit sehr wohl abweisbar.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005, welcher am 25. Okto-ber 2005 beim Sozialgericht Dresden einging, Klage. Die Klage wurde beim Sozialgericht Dresden unter dem Aktenzeichen S 23 AS 1079/05 erfasst und registriert.
Zur Begründung seines einstweiligen Rechtsschutzantrages führt der Antragsteller aus: Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin die Auffassung vertrete, die begehrte Sonderleistung sei durch das Einkommen des Antragstellers abgedeckt. Die Antragsgegnerin übersehe, dass der Antragsteller zunächst gehalten sei, sein Einkommen der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Dieses Einkommen werde anteilig auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Im Hinblick auf die Regelungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II sei der Antragsteller berechtigt, eigene Leistungsansprüche nach dem SGB II geltend zu machen. Die beantragten Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts seien auf der Grundlage des § 23 Abs. 1 SGB II zu erbringen. Der Antragsteller sei nicht in der Lage, die Kosten, die mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts verbunden seien, aus seinem Vermögen oder auf andere Weise zu decken. Bereits das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG stehe. Nach dieser Rechtsprechung gehörten die durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehenden Kosten zu einem sozialhilferechtlich anerkannten Bedarf, der im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erfüllen sei. Diese Rechtsprechung sei auch unter Geltung des SGB II fortzusetzen.
Der Antragsteller beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, dem Antragsteller auf seinen Antrag vom 2. September 2005 vorläufig, unter dem Vorbehalt der Rückforderung, Geldleistungen durch Übernahme der notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn N. zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes abzuweisen.
Zur Begründung nahm sie zum einen Bezug auf den Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2005 und führte zum anderen ergänzend aus: Die Wahrnehmung des Umgangsrechts stelle bereits dem Grunde nach keinen unabweisbaren Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II dar. Im Übrigen sei der Aufwand für die Wahrnehmung des Umgangsrechts bereits mit dem Regelbedarf nach § 20 SGB II abgedeckt. Darüber hinaus sei im Rahmen des scheidungsrechtlichen Verfahrens keine schriftliche Fixierung dahingehend erfolgt, wer die Kosten des Umgangs zu tragen habe und wie der Umgang im Einzelnen ablaufen solle. Der Kläger sei danach durchaus nicht zur alleinigen Bewältigung der Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts verpflichtet. Hieraus ergäbe sich auch keine Verpflichtung Dritter für die Übernahme der genannten Kosten. Die Bestimmung des § 23 Abs. 1 SGB II stelle zudem keine Auffangvorschrift für in § 21 SGB II nicht genannte Mehrbedarfe dar. Ein Rechtsschutzbedürfnis sei daher nicht festzustellen. Darüber hinaus stehe einem Anspruch des Antragsteller sein Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von monatlich 226,06 € entgegen, den der Antragsteller für die Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts einsetzen könne.
Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 2. November 2005 erörtert und Beweis erhoben durch persönliche Anhörung der Ehefrau des Antragstellers sowie durch verschiedene Recherchen im Internet. Auf das Protokoll des Erörterungstermins und die Internetrecherchen, die mit den Beteiligten im gerichtlichen Erörterungstermin besprochen und ausgewertet worden sind, wird insoweit vollständig und ausdrücklich Bezug genommen. Das Gericht hat des Weiteren die Kontoauszüge des Antragstellers beigezogen. Aus den Kontoauszügen des Antragstellers ergibt sich ein jeweiliger Habenssaldo mit Stand vom 30. September 2005 in Höhe von 1.073,61 € sowie in Höhe von 331,98 €.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin mit der Nummer: ... beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte sowie die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze insgesamt ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig und begründet, so dass ihm stattzugeben war.
Inhaltlich handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten des Antragstellers zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem leiblichen, minderjährigen Sohn N. in Form von Geldleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) an den Antragsteller zu gewähren.
§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG lautet: „Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.“
Der Antrag hat daher dann Aussicht auf Erfolg, wenn ein sog. Anordnungsanspruch und ein sog. Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung, d.h. bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage im Verfahren S 23 AS 1079/05, müssen gewichtige Gründe vorliegen; dies ist der sog. Anordnungsgrund. Er liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.10.1977, Az: 2 BvR 42/76). Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheverfahren zu ermöglichen. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren will nichts anderes, als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwick-lungen sichern (so ausdrücklich: Sächsisches LSG, Beschluss vom 11.02.2004, Az: L 1 B 227/03 KR-ER). Weiterhin muss ein sog. Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch (vgl. Berlit, info also 2005, 3, 7 sowie im Anschluss hieran ausdrücklich: Sächsisches LSG, Beschluss vom 14.04.2005, Az: L 3 B 30/05 AS/ER und Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.09.2005, Az: L 3 B 155/05 AS/ER) des Antragstellers handeln.
Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie zur Abwendung wesentlicher, nicht wiedergutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen.
1.
Der Antragsteller hat den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er hat glaubhaft dargelegt und nachgewiesen, dass ihm durch ein Zuwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache wesentliche Nachteile drohen. Die tatsächliche und kontinuierliche Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem leiblichen Sohn ist aufgrund der finanziellen Situation des Antragstellers nicht gesichert. Er übt sein Umgangsrecht bereits seit August 2005 nicht mehr aus, weil – wie die Ehefrau des Antragstellers im gerichtlichen Erörterungstermin angab – die finanziellen Reserven der Familie, nämlich das Sparguthaben von einem Sparbuch erschöpft sind. Gegenstand des Verfahrens sind Leistungen der Grundsicherung, die garantieren sollen, dass der Anspruchsberechtigte ein menschenwürdiges, existenzsicherndes Leben führen kann. Aus diesem Grund kann dem Antragsteller – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin – nicht zugemutet werden, sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit einem geringeren Lebensunterhalt zu begnügen, wenn er einen Anspruch darauf mindestens glaubhaft gemacht hat. Hinzu kommt als weitere und insoweit den existenzsichernden Charakter der begehrten Leistung unterstützende, Erwägung, dass das Umgangsrecht des Antragstellers mit seinem leiblichen Sohn kontinuierlich durchzuführen ist. Müsste der Antragsteller eine Entscheidung in der Hauptsache abwarten, könnten möglicherweise Jahre vergehen. Ein derartiges Abwarten ist dem Antragsteller im Hinblick auf sein grundrechtlich garantiertes Recht aus Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) nicht zumutbar, weil dieses Grundrecht sonst im Ergebnis leer laufen würde. Dem Gericht ist daher nicht nachvollziehbar, auf Grund welcher Erwägungen die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gelangen kann, dass für den einstweiligen Rechtsschutzantrag kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen solle. Das – wie bereits betont kontinuierlich durchzuführende – Umgangsrecht ermöglicht dem nichtsorgeberechtigten und erst recht sorgeberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen (vgl. dazu ausdrücklich: BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.1994, Az: 1 BvR 1197/93 und BVerwG, Urteil vom 22.08.1995, Az: 5 C 15/94). Aus diesen Gründen kann der Antragsteller nicht darauf verwiesen werden, sein Umgangsrecht mangels finanzieller Mittel solange zurückzustellen, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat.
2.
Dem Antragsteller steht entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin auch ein Anordnungsanspruch zu, weil er Anspruch auf die begehrte vorläufige Gewährung der notwendigen Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts mit seinem Sohn N. hat.
a)
Entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin ist Anspruchsgrundlage nicht § 73 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Diesbezüglich hatte bereits das Landessozialgericht Niedersachsen/Bremen mit Beschluss vom 28.04.2005 (Az.: L 8 AS 57/05 ER) Folgendes ausgeführt:
„Die von ... der Antragsgegnerin favorisierte Heranziehung von § 73 SGB XII mit der Folge der Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe scheidet aus. Nach § 73 SGB XII können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen, wobei Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Diese Vorschrift entspricht § 27 Abs. 2 BSHG, die sich in Abschnitt 3 des BSHG befand, dem Abschnitt über die Hilfe in besonderen Lebenslagen, die zu unterscheiden war von der Hilfe zum Lebensunterhalt, die in den §§ 11 bis 26 BSHG (Abschnitt 2) geregelt war. Zwar kennt das SGB XII diese ausdrückliche Unterscheidung zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht mehr; sie ist allerdings in der Sache beibehalten worden. Denn in den §§ 47 bis 74 SGB II befinden sich die Regelungen, die der Hilfe in besonderen Lebenslagen des BSHG entsprechen. Dieser Umstand ist bei der fraglichen Heranziehung von § 73 SGB XII, der sich demnach in dem Abschnitt der „Hilfe in besonderen Lebenslagen" befindet, zu berücksichtigen. Denn unter Geltung des BSHG wurden die hier fraglichen Leistungen ohne weiteres der Hilfe zum Lebensunterhalt und nicht der Hilfe in besonderen Lebenslagen zugeordnet. Es besteht daher kein Anlass, unter Geltung des SGB II bzw. des SGB XII zu einer anderen Betrachtungsweise überzugehen, also die fraglichen Umgangskosten nunmehr der Hilfe in besonderen Lebenslagen zuzuordnen.
Zur Vorgänger-Vorschrift des § 27 Abs. 2 BSHG wurde die Ansicht vertreten, dass es sich um eine generelle Auffangnorm für unbekannte Notlagen handelte, allerdings für Notlagen in besonderen Lebenslagen. Vorausgesetzt wurde, dass für die fragliche Lebenslage keine spezialgesetzliche Regelung für eine Hilfeleistung vorhanden war (vgl. Armborst in: Lehr- und Praxiskommentar zum BSHG, 6. Auflage 2003, § 27, Rn. 6 ff.; Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Auflage 2002, § 27, Rn. 10 ff.; Oesterreicher/Schelter/Kuntz, Kommentar zum BSHG, Loseblattsammlung, Stand Juni 2003, § 27, Rn. 4 f.). Dem entspricht die Kommentierung zu § 73 SGB XII. Insbesondere darf durch die Anwendung von § 73 SGB XII nicht die Absicht des Gesetzgebers unterlaufen werden, der mit der Neuregelung durch das SGB II und das SGB XII die Gewährung einmaliger bzw. besonderer Bedarfslagen abschaffen wollte. Die Vorschrift des § 73 SGB XII ist daher keine generelle Auffangnorm für sämtliche Hilfearten. Vielmehr folgt aus ihrer systematischen Stellung im Teil der „Hilfe in besonderen Lebenslagen", dass sich die Vorschrift nur auf Hilfesituationen beziehen kann, die in ihrer Typizität nicht zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehören (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 1. Auflage 2005, § 73, Rn. 3; anderer Ansicht wohl: Conradis, aaO, Seite 440 f.). Mithin ist zu verlangen, dass die Hilfe in sonstigen Lebenslagen des § 73 SGB XII eine gewisse Nähe zu den „Hilfen in besonderen Lebenslagen" der §§ 47 bis 74 SGB XII hat. Dies kann bei den hier fraglichen Kosten des Umgangsrechts nicht festgestellt werden, weil diese der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzuordnen sind. Bei einem erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen sind die Umgangskosten daher nach § 37 SGB XII zu behandeln.“
Dieser Ansicht schließt sich das erkennende Gericht ausdrücklich an, zumal von der Antragsgegnerin keine nachvollziehbaren entgegenstehenden Gründe angegeben wurden und sich im Übrigen diese Rechtsprechung bereits als zutreffend etabliert hat (vgl. diesbezüglich ebenso: SG Speyer, Beschluss vom 23.08.2005, Az.: S 10 ER 178/05 AS; SG Duisburg, Beschluss vom 11.07.2005, Az.: S 27 AS 233/05 ER; SG Aurich, Urteil vom 16.06.2005, Az: S 13 SO 18/05; SG Reutlingen, Beschluss vom 20.04.2005, Az: S 3 SO 780/05 ER; anderer Ansicht lediglich: SG Hannover, Beschluss vom 07.02.2005, Az: S 52 SO 37/05 ER; offengelassen bspw. von: Hessisches LSG, Beschluss vom 23.09.2005, Az: L 7 B 132/05 AS sowie LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.08.2005, Az: L 7 SO 2117/05 ER-B). Das erkennende Gericht erachtet diesbezüglich für entscheidend, dass die Heranziehung des § 73 SGB XII bereits aus systematischen Gründen scheitert, weil die Norm systematisch im 9. Kapitel des SGB XII, das „Hilfe in anderen Lebenslagen“ betrifft, eingeordnet ist. Die Hilfe in anderen Lebenslagen ist jedoch von der Hilfe zum Lebensunterhalt zu unterscheiden. Es handelt sich vorliegend nicht um eine „andere Lebenslage“ im Sinne des SGB XII, so dass die Vorschriften der §§ 70 ff SGB XII schon dem Grunde nach keine Anwendung finden.
b)
Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers ist § 23 Abs. 1 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Diese Vorschrift lautet: Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster (dazu sogleich unter aa) und nach den Umständen unab-weisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (dazu sogleich unter bb) weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 (SGB II) (dazu sogleich unter cc) noch auf andere Weise gedeckt werden (dazu sogleich unter dd), erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen (dazu sogleich unter ee).
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, soweit die notwendigen Fahrkosten und Unterkunftskosten zur Ausübung des Umgangsrechtes vom Antragsteller begehrt werden.
Hierbei ist zunächst Folgendes zu berücksichtigen: Bereits unter Geltung des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden BSHG war anerkannt, dass die hier streitigen Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts als Teil der Sozialhilfe – Hilfe zum Lebensunterhalt – vom zuständigen Sozialhilfeträger zu übernehmen waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.08.1995, Az: 5 C 15/94). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.1994, Az: 1 BvR 1197/93) hat klargestellt, dass das Umgangsrecht des nicht sorgeberechtigten Elternteils unter dem Schutz von Art 6 Abs. 2 GG steht (Hinweis auch auf die Entscheidung des BVerfG vom 31.05.1983, Az: 1 BvL 11/80); nichts anderes gilt für das Umgangsrecht des sorgeberechtigten Elternteils. Nach dieser Rechtsprechung gehörten die durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehenden Kosten zu einem sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf, der im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erfüllen war. Diese Rechtsprechung ist auch unter Geltung des SGB II fortzusetzen (so ausdrücklich und zutreffend: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Berlin, Urteil vom 02.08.2005, Az: S 63 AS 1311/05; SG Münster, Beschluss vom 22.03.2005, Az: S 12 AS 18/05 ER; SG Schleswig, Beschluss vom 09.03.2005, Az: S 2 AS 52/05 ER). Allerdings muss hierbei berücksichtigt werden, dass die Kosten des Umgangsrechts als nicht durch die Regelsatzleistungen abgegolten angesehen wurden. Er wurde deshalb – je nach Lage des Einzelfalls – als einmaliger oder besonderer Bedarf angenommen, für den einmalige Leistungen nach § 21 Abs. 1 bzw. 1a Nr. 7 (besondere Anlässe) BSHG oder besondere Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG in Betracht kamen. Eine derartige Betrachtungsweise kann zwar unter der Geltung des SGB II nicht mehr angestellt werden, weil dieses entsprechende Leistungen dem Grunde nach nicht mehr vorhält. Denn durch die Regelleistung des § 20 SGB II werden grundsätzlich sämtliche laufenden und auch einmaligen Bedarfe abgegolten; das Arbeitslosengeld II ist eine pauschalierte Regelleistung; Mehrbedarfe sind nur für bestimmte Fallgestaltungen in § 21 SGB II vorgesehen. Einschlägig ist im vorliegenden Fall jedoch § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Diese Regelung stellt klar, wie zu verfahren ist, wenn im Einzelfall ein von den Regelsätzen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden kann. Soweit das für diesen Fall zur Ansparung vorgesehene Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II im Einzelfall nicht oder nicht in ausreichender Höhe zur Verfügung steht und der Leistungsberechtigte vorrangig auch nicht auf eine andere Bedarfsdeckung wie z.B. auf Gebrauchtwarenlager und auf Kleiderkammern verwiesen werden kann, erbringt der Leistungsträger bei Nachweis des unabweisbaren Bedarfs eine Sachleistung oder Geldleistung in Form eines Darlehens (so die amtliche Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 53).
aa)
Da die Regelleistung des § 20 SGB II praktisch den gesamten Bedarf des Lebensunterhalts umfasst, sind dem Grunde nach abweichende Leistungen für alle Bedarfstatbestände des notwendigen Lebensunterhalts denkbar (vgl. Hofmann in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Auflage 2005, § 23, Rn. 6; zutreffend in diesem ausdrücklichen Sinn: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Speyer, Beschluss vom 23.08.2005, Az: S 10 ER 178/05 AS). Die hier begehrten Fahrt- und Unterkunftskosten sind dem Grunde nach in der Regelleistung des § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II enthalten. Die Vorschrift lautet: Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Die Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts unterfallen thematisch und strukturell am nahesten den „Beziehungen zur Umwelt“ und damit den persönlichen sozialen Außenkontakten der Hilfebedürftigen (ebenso ausdrücklich: SG Münster, Beschluss vom 22.03.2005, Az: S 12 AS 18/05 ER; Kalhorn in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Stand: Oktober 2005, K § 20, Rn. 16; Lang in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 20, Rn. 60; Behrend in: JURIS-Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 29.1; zur parallelen Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB XII so auch ausdrücklich: SG Reutlingen, Beschluss vom 20.04.2005, Az: S 3 SO 780/05 ER; zur früher parallelen Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 BSHG so auch ausdrücklich: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.03.1990, Az: 24 A 2758/86; zwar von § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst, allerdings nicht konkret zugeordnet bspw.: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Speyer, Beschluss vom 23.08.2005, Az: S 10 ER 178/05 AS; SG Schleswig, Beschluss vom 09.03.2005, Az: S 2 AS 52/05 ER; anderer Ansicht [also nicht von den Regelleistungen nach § 20 Abs. 1 SGB II umfasst, so dass § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II lediglich analog anzuwenden sei]: Thüringer LSG, Beschluss vom 15.06.2005, Az: L 7 AS 261/05 ER). Zudem ist die Aufzählung in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II ohnehin nicht erschöpfend, wie das Wort „insbesondere“ zeigt, so dass ein expliziter Ausschluss der Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts von den mit der Regelleistung typisierend und pauschalierend abgedeckten Bedarfslagen nicht festgestellt werden kann.
bb)
Bei der im Falle des Antragstellers ggf. (zu dieser Einschränkung sogleich) entstehenden Höhe der durch die Wahrnehmung des Umgangsrechts entstehenden Fahrt- und Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 214,00 € (als angemessener Obergrenze) wird offensichtlich, dass die Regelleistungen zur Bedarfsdeckung nicht ausreichen. Der Antragsteller hat insofern glaubhaft vorgetragen, dass allein bei den Bahnfahrten nach Karlsruhe (und wieder zurück nach Dresden) im Monat ein Bedarf von 184,00 € entsteht und für die Pensionsübernachtung weitere 30,00 € im Monat anfallen. Dies belegt anschaulich, dass die dem Antragsteller zustehende Regelleistung in Höhe von 298,00 € monatlich (§ 20 Abs. 3 Satz 1 SGB II i.V.m. § 20 Abs. 2 Alt. 2 SGB II) zur Bedarfsdeckung nicht ausreicht, obwohl der zeitweise Umgang eines Vaters zu seinem minderjährigen Kind zum notwendigen und unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts gehört. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Bedarf des Antragstellers unabweisbar, weil die Ausübung des Umgangsrechts wegen ihrer Kontinuität nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden kann; der Lebensbedarf ist immer dann unabweisbar, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige keine Möglichkeit hat, die Befriedigung des Bedarfs auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben (so zutreffend: Wenzel in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl. 2005, § 23 SGB II, Rn. 3; Kalhorn in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Stand: Oktober 2005, K § 20, Rn. 9; Hofmann in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 7; Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zur Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: Juni 2005, § 23 SGB II, Rn. 16; Behrend in: JURIS-Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 29; Wieland in: Estelmann, Kommentar zum SGB II, Stand: Juli 2005, § 23, Rn. 11). Da eine grundsätzliche Kostendeckelung für die hier streitigen Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig ist (so ausdrücklich und zutreffend: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Münster, Beschluss vom 22.03.2005, Az: S 12 AS 18/05 ER; SG Schleswig, Beschluss vom 09.03.2005, Az: S 2 AS 52/05 ER unter Hinweis auf: BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.1994, Az: 1 BvR 1197/93 und BVerfG, Beschluss vom 31.05.1983, Az: 1 BvL 11/80), muss eine zusätzliche Geldleistung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II erbracht werden (so ausdrücklich und zutreffend: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Münster, Beschluss vom 22.03.2005, Az: S 12 AS 18/05 ER). Wie bereits ausgeführt, stehen die in § 1684 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelten Rechte und Pflichten des Umgangs der Eltern mit dem Kind unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Diesem Anspruch von Verfassungsrang ist auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende Rechnung zu tragen; schon mit Blick auf die verfassungsrechtliche Relevanz des Umgangsrechts ist auch hier zu beachten, dass die Erhaltung der Eltern-Kind-Beziehung mittels Ausübung des Besuchsrechts im Einzelfall nicht unzumutbar erschwert oder faktisch vereitelt werden darf. Zu berücksichtigen ist insoweit ferner, dass der berechtigte Elternteil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Unterhaltsrecht die mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts verbundenen Aufwendungen grundsätzlich selbst zu tragen hat und sie regelmäßig weder auf das unterhaltsberechtigte Kind noch den unterhaltsberechtigten Ehegatten abwälzen kann (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.1984, Az: IVb ZR 52/82; BGH, Urteil vom 09.11.1994, Az: XII ZR 206/92; BGH, Urteil vom 23.02.2005, Az: XII ZR 56/02); dabei werden im Übrigen unterhaltsrechtlich zu den Umgangskosten nicht nur die Fahrtkosten, sondern auch die sonstigen mit den Kontakten verbundenen angemessenen Aufwendungen, also beispielsweise auch die Übernachtungs- und Verpflegungskosten, gerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2005, Az: XII ZR 56/02). Der Antragsteller kann deshalb – entgegen der Behauptungen der Antragsgegnerin – die Bedarfslage der Ausübung des Umgangsrechts zu seinem minderjährigen, in über 450 km Entfernung von ihm untergebrachten Sohn weder aufschieben, noch kann er die Kosten auf das Kind oder gar die leibliche Mutter abwälzen. Es handelt sich daher um eine atypische Bedarfslage: Während bei Ausübung des väterlichen Umgangsrechts innerhalb einer Ortschaft die Fahrtkosten aus den im Regelsatz enthaltenen Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bestritten werden können, ist dies bei verschiedenen Wohnorten der getrenntlebenden oder geschiedenen Eltern regelmäßig nicht der Fall.
Zwar sind an die abweichende Bemessung zu Gunsten des Hilfesuchenden hohe Anforderungen zu stellen. Die pauschale Behauptung, dass Mehrkosten entstehen würden, reicht nicht aus. Fahrtkosten, die in Ausübung des Umgangsrechts mit einem Kind entstehen, erfüllen jedoch diese Voraussetzungen. Zwar gehören Fahrtkosten grundsätzlich zu den Ausgaben, die durch den Regelsatz abgegolten sind. Zusätzliche Kosten, die ein durch Art. 6 GG verfassungsrechtlich fundiertes Gewicht erhalten, sind jedoch zusätzlich zu den Regelsätzen zu gewähren (so auch zutreffend: SG Reutlingen, Beschluss vom 20.04.2005, Az: S 3 SO 780/05 ER; im Ergebnis ebenso: LSG Schleswig, Beschluss vom 08.08.2005, Az: L 9 B 158/05 SO-ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.08.2005, Az: L 7 SO 2117/05 ER-B; SG Berlin, Urteil vom 02.08.2005, Az: S 63 AS 1311/05).
Allerdings ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass sich die Gewährung von Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts durch die Träger der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht nur auf die notwendigen, sondern auch auf die angemessenen Kosten beschränkt. Das Kriterium der Angemessenheit der zu übernehmenden Kosten ergibt sich dabei zum einen aus dem Tatbestandsmerkmal der Unabweisbarkeit des atypischen Bedarfs in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II und zum anderen aus dem Tatbestandsmerkmal des „vertretbaren Umfangs“ der Beziehungen zur Umwelt in § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Darüber hinaus ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts der Grundsatz zu beachten, dass die Leistungen nach dem SGB II lediglich Hilfe zur Selbsthilfe vermitteln und dem Hilfebedürftigen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II obliegt, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, seine Hilfebedürftigkeit zu verringern. Die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sind hinsichtlich des individuellen Kostenumfangs und damit der Angemessenheit der Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts zu berücksichtigen. Dieses Erfordernis bezieht sich dabei sowohl auf die Höhe der Kosten, als auch auf das Maß des Umgangs. Um das erforderliche Maß des Umgangs festzustellen, sind alle das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmenden Umstände zu würdigen. Als Umstände des Einzelfalles sind dabei in den Blick zu nehmen: Alter, Entwicklung und Zahl der Kinder, Intensität ihrer Bindung zum Umgangsberechtigten, Einstellung des anderen Elternteils zum Umgangsrecht, insbesondere Vorliegen und Inhalt einverständlicher Regelungen, Entfernung der jeweiligen Wohnorte beider Elternteile und Art der Verkehrsverbindungen (so bereits unter Geltung des BSHG: BVerwG, Urteil vom 22.08.1995, Az: 5 C 15/94; ebenso ausdrücklich im Bereich des SGB II: Behrend in: JURIS-Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 26).
Nach diesen Maßstäben kann im vorliegenden Fall zwar das Maß des Umgangs, welches der Antragsteller lediglich einmal monatlich am Wochenende auszuüben beabsichtigt, unter dem Aspekt der Angemessenheit nicht beanstandet werden. Insofern sprechen sowohl das Alter des Kindes N. (6 ¾ Jahre), als auch die große Entfernung (über 450 km), vor allem und maßgeblich jedoch auch die am 2. November 2004 einvernehmlich zwischen den Eltern zum Kindswohl abgeschlossene Umgangsvereinbarung für die Angemessenheit des auszuübenden Umgangsrechts des Antragstellers. Mit der Berücksichtigung einer einverständlichen Regelung zwischen den geschiedenen Eltern über den Umfang des Umgangsrechts durch den nichtsorgeberechtigten Elternteil tragen die Behörden und Gerichte nämlich dem Umstand Rechnung, dass sich aus der fortbestehenden Verantwortung gegenüber dem Kinde die Pflicht der geschiedenen Eltern ergibt, die regelmäßig mit der Scheidung für die Entwicklung des Kindes verbundene Schädigung nach Möglichkeit zu mildern und eine vernünftige, den Interessen entsprechende Lösung für seine Pflege und Erziehung sowie seine weiteren persönlichen Beziehungen zu den nunmehr getrenntlebenden Eltern zu finden (so ausdrücklich: BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.1994, Az: 1 BvR 1197/93). Davon wird eine einverständliche Regelung des Umfangs des Umgangsrechts regelmäßig bestimmt und geprägt sein. Eine andere Beurteilung ist lediglich dann gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine solche freie Vereinbarung der Eltern hinsichtlich des Umfangs des Umgangsrechts missbräuchlich dazu genutzt werden soll, dass der – nicht hilfebedürftige – sorgeberechtigte Elternteil seine Unterhaltspflicht teilweise auf den Sozialhilfeträger verschiebt (so ausdrücklich: BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.10.1994, Az: 1 BvR 1197/93). Solche Anhaltspunkte sind jedoch im vorliegenden Sachverhalt weder ersichtlich, noch von der Antragsgegnerin dezidiert vorgetragen, zumal der Antragsteller ohnehin nicht beabsichtigt, die einvernehmlich vereinbarte 14-tägliche Ausübung des Umgangsrechts in Anspruch zu nehmen, da er dies auf Grund seiner Beschäftigung im rollenden Schichtsystem zeitlich nicht vereinbaren kann.
Hinsichtlich der Höhe (monatlich 214,00 €; bestehend aus zwei Bahnfahrten zu je 92,00 € und einer Übernachtung zu 30,00 €) der vom Antragsteller begehrten Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts ist das erkennende Gericht jedoch nicht gänzlich von der Angemessenheit überzeugt. Diese Zweifel beziehen sich zwar nicht auf die Übernachtungskosten, die für eine Pensionsübernachtung am Wochenende in den alten Bundesländern mit 30,00 € dem Gericht sogar eher preiswert und damit sehr wohl angemessen erscheinen. Die Zweifel beziehen sich vielmehr auf die Fahrtkosten mit dem doch relativ teuren öffentlichen Verkehrsmitteln der Deutschen Bahn AG. Insofern ist das Gericht der Ansicht, dass der Antragsteller entsprechend seiner Obliegenheit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, seine Hilfebedürftigkeit zu verringern, bevor er jeweils Tickets der Deutschen Bahn AG für seine Fahrten Dresden-Karlsruhe-Dresden käuflich erwirbt, Kostensenkungsbemühungen insofern walten lässt, als er versucht entweder Spartarife der Deutschen Bahn AG oder Mitfahrgelegenheiten in Anspruch zu nehmen. Lediglich insoweit trifft auch der Einwand der Antragsgegnerin zu, dass der Antragsteller im Vorfeld der Ausübung seines Umgangsrechts Einfluss auf die Höhe der Kosten nehmen kann. Damit wird dem Antragsteller im Ergebnis weder etwas Unzumutbares noch Unverhältnismäßiges abverlangt, vielmehr kommt er mit einem solchen Verhalten sowohl seiner bereits betonten Obliegenheit aus § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II, als auch dem Gebot nach, lediglich angemessene Kosten zu verursachen, die im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II unabweisbar und im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 vertretbar sind. Seine von ihm zu fordernde Selbsthilfe – die dem Antragsteller konkret und individuell aufzuerlegen ist, damit er eine verlässliche Hilfestellung an die Hand erhält – kann daher aus Sicht des Gerichts – zumal es der Antragsgegnerin insofern an jeglicher Einzelfallbetrachtungsweise offenbar mangelt – beispielhaft lauten, sich jeweils vor Antritt seiner Fahrten und vor Erwerb von Bahntickets zu bemühen, entweder sich über Spartarife der Deutschen Bahn AG zu informieren und solche (auf Grund längerer Buchungsvorlaufzeit) zu nutzen oder über gewerblich organisierte und betriebene Mitfahrzentralen in Dresden zu preiswerteren Fahrtkosten zu gelangen. Diesbezüglich hat das erkennende Gericht den Antragsteller im Rahmen des gerichtlichen Erörterungstermins auf das vielfältige und umfangreiche Angebot im Internet unter den Internetseiten www.mitfahren-online.de, www.mitfahrgelegenheit.de und www.drive2day.de aufmerksam gemacht. Bei der Dresdner Mitfahrzentrale (www.mitfahren-online.de) konnten gerichtlicherseits Mitfahrgelegenheiten für die einfache Strecke Dresden-Karlsruhe zum Standardpreis von 32,00 € (setzt sich zusammen aus 12,00 € Vermittlungsgebühr des Mitfahrers, in der eine Weiterreise- und Unfallversicherung enthalten ist, und 20,00 € Bezinkostenbeteiligung des Mitfahrers an den Fahrer) recherchiert werden, weshalb das Gericht lediglich in dieser Höhe von einem angemessenen Mindestpreis der Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts des Antragstellers ausgeht, wobei diesbezüglich jedoch zu berücksichtigen wäre, dass der Antragsteller wegen verstärkten Wochenendpendelverkehrs eher am Freitag eine solche Hinfahrtmöglichkeit erlangt, so dass in diesem Fall regelmäßig zwei Übernachtungen (von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag) anfallen würden. Sollte der Antragsteller trotz hinreichender und zeitiger (der Antragsgegnerin nachzuweisender) Bemühungen um eine solche Mitfahrgelegenheit entweder keine solche Mitfahrgelegenheit finden oder keine Spartarife der Deutschen Bahn AG nutzen können, muss die Antragsgegnerin selbstverständlich – insoweit jedoch wiederum originär, also nach Ausschöpfung der Selbsthilfemöglichkeiten durch den Antragsteller – die Kosten der regulären Bahnfahrtickets übernehmen.
Die angemessenen (Mindest-)Kosten sind deshalb auf 124,00 € monatlich zu veranschlagen; sie setzen sich aus Fahrtkosten in Höhe von 2 x jeweils 32,00 € und Übernachtungskosten in Höhe von 2 x 30,00 € zusammen. Die angemessenen (Maximal-)Kosten sind demgegenüber auf 214,00 € monatlich zu veranschlagen; sie setzen sich aus Fahrtkosten in Höhe von 2 x jeweils 92,00 € und Übernachtungskosten in Höhe von 30,00 € zusammen. Auf Grund der im Voraus nicht zu prognostizierenden und monatlich nicht vorausschauend zu kalkulierenden Kostensenkungsmöglichkeiten in tatsächlicher Hinsicht veranschlagt das Gericht die angemessenen (Mittel-)Kosten auf 169,00 €; dies ist das arithmetische Mittel von 124,00 € und 214,00 €. Damit ist aus Sicht des Gerichts auch dem Einwand der An-tragsgegnerin, dass der Antragsteller auf die Höhe der Kosten im Vorfeld Einfluss nehmen könne, hinreichend Genüge getan.
Soweit die Antragsgegnerin jedoch ausgeführt hat, dieser so eben erläuterte Bedarf sei nicht unabweisbar, weil er nicht unvorhersehbar sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Zwar wird – vereinzelt und ohne jegliche Begründung – auch in der Kommentarliteratur zum SGB II vertreten, dass der Bedarf (nur dann) unabweisbar sei, wenn er nicht voraussehbar sei (so lediglich ohne jegliche Begründung: Herold-Tews in: Löns/Herold-Tews, SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 4). Dieser Auffassung vermag das erkennende Gericht jedoch nicht beizupflichten, weil sich eine solche Einschränkung dem Wortlaut „unabweisbar“ nicht entnehmen lässt, da dieser allein auf die Dringlichkeit des Bedarf abstellt. Auch vor dem Hintergrund des Zwecks der Vorschrift, nämlich der Sicherung des Existenzminimums, ist das Kriterium der Vorhersehbarkeit nicht haltbar (so zutreffend: Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zur Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: Juni 2005, § 23 SGB II, Rn. 16). Bereits aus diesen methodischen Gründen vermag sich das Gericht auch dem weiteren Einwand der Antragsgegnerin nicht anzuschließen, der Antragsteller hätte die Kosten zur Ausübung des Umgangsrechts vermeiden können, wenn er nicht aus der Nähe seines leiblichen Kindes N. weggezogen wäre. Darüber hinaus kann das Gericht diesem Einwand auch deshalb nicht näher treten, weil dies im Ergebnis darauf hinausläuft, dem Antragsteller sein durch Art. 11 GG grundrechtlich garantiertes Recht auf Freizügigkeit abzusprechen.
cc)
Gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II muss der Antragsteller seinen unabweisbaren Sonderbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts in Höhe der angemessenen (Mittel-)Kosten von 169,00 € monatlich jedoch durch Einsatz des (einmaligen) Ansparfreibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in Höhe von 750,00 €, über den der Antragsteller ausweislich der bei-gezogenen Kontoauszüge tatsächlich verfügt, (teilweise) selbst decken. Dieser einsatzbereite Ansparfreibetrag reicht jedoch nicht aus, um den monatlich wiederkehrenden und unabweisbaren Bedarf vollständig zu decken. Entsprechend der vorläufigen Dauer der im anhängigen Verfahren gerichtlich getroffenen einstweiligen Regelungsanordnung (6 Monate) hat der Antragsteller deshalb monatliche Eigenleistungen in Höhe von 125,00 € (errechnet aus 750,00 € dividiert durch 6) beizutragen, so dass sich – wie tenoriert – der von der Antragsgegnerin zu tragende Geldbetrag auf 44,00 € beläuft. Der vollständige Einsatz des Ansparfreibetrages in Höhe von 750,00 € bedeutet aber, dass der Antragsteller auf diese Einsatzmöglichkeit zukünftig nicht mehr verwiesen werden kann, sollten weitere unabweisbare Einmalbedarfe anfallen. Auch für den (wiederkehrenden) unabweisbaren Bedarf zur Ausübung des Umgangsrechts kann der Antragsteller zukünftig (also für die Zeit ab Mai 2006) nicht mehr auf diese Einsatzmöglichkeit verwiesen werden. Die dem Antragsteller von § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II auferlegte Eigenleistungszuschusspflicht ist dann verbraucht.
dd)
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kann der Antragsteller seinen Zusatzbedarf für die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts nicht im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II „auf andere Weise“ decken.
Soweit die Antragsgegnerin bereits im Ablehnungsbescheid vom 8. September 2005 meint, die vom Antragsteller begehrte Sonderleistung sei durch sein Einkommen gedeckt, vermag sich das erkennende Gericht dem nicht anzuschließen. Die Argumentation ist bereits in sich widersprüchlich: Wenn die Antragsgegnerin der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers mit Bescheiden vom 1. September 2005, 29. September 2005, 4. Oktober 2005 und 20. Oktober 2005 Arbeitslosengeld II bewilligt und damit bestätigt, dass das Einkommen des Antragstellers den vollständigen Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht deckt, kann sie nicht ernsthaft behaupten, dass der Antragsteller seinen „Sonderbedarf“ zur Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem in der Nähe von Karlsruhe wohnenden minderjährigen Sohn N. aus seinem Einkommen bestreiten könne. Da bereits der reguläre Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht mit dem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft bestritten werden kann, deshalb von der Antragsgegnerin Arbeitslosengeld II bewilligt wird und somit gem. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig gilt, weil der gesamte Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht aus eigenen Mitteln gedeckt ist, kann der „Sonderbedarf“ zur Ausübung des Umgangsrechts erst recht nicht gedeckt sein.
Soweit die Antragsgegnerin nunmehr die Argumentation vertritt, der Antragsteller könne die Kosten der Ausübung seines Umgangsrechts durch Einsatz seines Erwerbstätigenfreibetrages nach §§ 11 Abs. 2 Nr. 6, 30 SGB II in Höhe von monatlich 225,06 € decken, vermag sich das Gericht auch dem nicht anzuschließen. Zwar wird – vereinzelt und ohne jegliche Begründung – auch in der Kommentarliteratur zum SGB II vertreten, dass unter die Möglichkeit im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II den Bedarf auf andere Weise zu decken, die Verpflichtung des erwerbstätigen Hilfebedürftigen fällt, den Freibetrag aus einer Erwerbstätigkeit für den zusätzlichen Bedarf einzusetzen (so lediglich ohne jegliche Begründung: Herold-Tews in: Löns/Herold-Tews, SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 6). Hierfür könnte zwar der insoweit weite und offene Wortlaut und damit die semantische Interpretation der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II sprechen. Dagegen spricht jedoch sowohl die systematische als auch die teleologische Interpretation. Unter gesetzessystematischer Betrachtungsweise ist aus der expliziten Erwähnung des Vermögensansparfreibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II kein Erst-Recht-Schluss, wie die Antragsgegnerin dies andeutet, sondern vielmehr ein Umkehrschluss zu ziehen. Da § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausdrücklich nur den Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II als vorrangig einzusetzen, verpflichtet und daher andere von § 12 SGB II geschützte Vermögensbestandteile nicht zur Bedarfsdeckung einzusetzen sind (vgl. dazu deutlich: Lang in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 19; Wenzel in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grund-sicherung, 3. Aufl. 2005, § 23 SGB II, Rn. 3; Kalhorn in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB II, Stand: Oktober 2005, K § 20, Rn. 10; Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zur Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: Juni 2005, § 23 SGB II, Rn. 17; Hofmann in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 8), legt dies nahe, dass eine Anrechnung von geschütztem Einkommen nicht vorgesehen ist, weil sich diesbezüglich kein entsprechender Hinweis im Gesetzestext des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II finden lässt und geschütztem Vermögen die gleiche Funktion wie geschütztem Einkommen zukommt (so auch zutreffend: Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zur Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: Juni 2005, § 23 SGB II, Rn. 17). Eine Anrechnung des Erwerbstätigenfreibetrages nach §§ 11 Abs. 2 Nr. 6, 30 SGB II steht zudem unter Berücksichtigung der teleologischen Interpretation im Widerspruch zur Funktion des Freibetrages bei Erwerbstätigkeit, „der dem Grundsatz Rechnung trägt, das derjenige der arbeitet, mehr Geld zur Verfügung haben soll als derjenige, der trotz Erwerbsfähigkeit nicht arbeitet“ (so ausdrücklich in der Gesetzesbegründung zu § 30 SGB II: BT-Drs. 15/1516, S. 59). Denn der Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit würde geschmälert und in sein Gegenteil verkehrt, wenn das freigestellte Einkommen letztlich doch zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts eingesetzt werden müsste, was die §§ 11 Abs. 2 Nr. 6, 30 SGB II aber gerade verhindern sollen und was zudem § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II widersprechen würde (zutreffend: Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zur Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: Juni 2005, § 23 SGB II, Rn. 17; Däubler, NJW 2005, 1545, 1546). Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass der Hilfebedürftige seinen Erwerbstätigenfreibetrag einzusetzen hätte. Der Gesetzgeber führte lediglich aus, dass eine Bedarfsdeckung „auf andere Weise“ durch Verweis des Leistungsberechtigten „z.B. auf Gebrauchtwarenlager und auf Kleiderkammern“ erfolgen könne (BT-Drs. 15/1516, S. 57), weil – so wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt – „kein Anspruch auf fabrikneue Gegenstände“ bestehe (BT-Drs. 15/1516, S. 57). Damit unterstellt der Gesetzgeber aber nicht – wie die Beklagte meint – das Fehlen jeglicher finanzieller Mittel, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, dass es im Falle des Fehlens des Ansparfreibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II – der korrespondierend „mit der Konzeption der Regelleistung, die künftig alle pauschalierbaren Leistungen im Rahmen der von der Regelleistung zu deckenden Bedarfe umfasst“ (BT-Drs. 15/1516, S. 53), da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass „der Leistungsberechtigte aus dieser Regelleistung Ansparungen für größere Anschaffungen, wie z.B. für Haushaltsgeräte oder den Wintermantel, erbringt“ (BT-Drs. 15/1516, S. 53) – zulässig sein soll, den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf Sachleistungen zu verweisen. Ein Erst-Recht-Schluss aus dieser Gesetzesbegründung ist nicht begründbar, denn auch derjenige erwerbsfähige Hilfebedürftige, der eine Waschmaschine, einen Kühlschrank oder einen Wintermantel „erneuern“ muss, kann nicht auf sonstige „bereite Mittel“ – wie es die Antragsgegnerin meint – verwiesen werden, wenn diese bereiten Mittel, solche sind, die dem Schonvermögen (außerhalb von § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II) oder dem geschützten, anrechnungsfreien Einkommen zugehörig sind. Hätte der Gesetzgeber mit der Formulierung „noch auf andere Weise gedeckt“ in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II das Fehlen „jeglicher bereiter Mittel“ gemeint, dann hätte er dies, wenn schon nicht mit Wortlaut der Norm selbst, dann wenigstens in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebracht.
ee)
Die Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind dem Wortlaut der Norm zu Folge lediglich als Darlehen zu erbringen. Allerdings erscheint problematisch, dass dieses Darlehen gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den Antragsteller zu zahlenden Regelleistung zu tilgen ist. Im Hinblick auf die Höhe der zu gewährenden Leistungen könnte darin möglicherweise ein Verfassungsverstoß liegen, weil der Antragsteller dann durch die Ausübung seines durch Art 6 Abs. 2 GG geschützten Umgangsrechts auf Dauer finanziell nachteilig behelligt wird (so ausdrücklich und zutreffend: LSG Niedersachsen/Bremen, Beschluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Münster, Beschluss vom 22.03.2005, Az: S 12 AS 18/05 ER).
Aus diesem Grund wird in der bisherigen Rechtsprechung zum SGB II vorgeschlagen, dass die SGB II-Leistungserbringer, wenn die Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II für längere Zeit – etwa mehr als 1 Jahr – zu zahlen sind, prüfen müssen, ob im Wege der Ermessensausübung von einer Aufrechnung abzusehen ist, weil im Wege verfassungskon-former Auslegung unter Berücksichtigung der Regelung in § 37 Abs. 2 SGB XII und § 44 SGB II dazu Anlass bestehen könnte (so ausdrücklich: LSG Niedersachsen/Bremen, Be-schluss vom 28.04.2005, Az: L 8 AS 57/05 ER; SG Lüneburg, Beschluss vom 11.08.2005, Az: S 30 AS 328/05; angedeutet auch bei: SG Aurich, Urteil vom 16.06.2005, Az: S 13 SO 18/05; ebenso: Münder, NJW 2004, 3209, 3212; Däubler, NJW 2005, 1545, 1546; Schmidt in: Oestreicher, Kommentar zur Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende, Stand: Juni 2005, § 23 SGB II, Rn. 31).
Das erkennende Gericht hält diesen Lösungsvorschlag nicht nur für „notbehelfsmäßig“ (so ausdrücklich: Geiger, info also 2005, 147) sondern für unzureichend, weil die verfassungsrechtliche Problematik verschoben und nicht gelöst wird. Die besondere Problematik im vorliegenden Sachverhalt liegt darin begründet, dass der vom Antragsteller aufzuwendende, unabweisbare, von den Regelleistung – in seinem speziellen Fall – nicht hinreichend gedeckte Bedarf nicht nur einmaliger oder vorübergehender, sondern dauerhafter Natur ist. Das Umgangsrecht ist, soll es seine verfassungsrechtlich gewährleisteten Funktionen erfüllen, kontinuierlich und dauerhaft auszuüben. Die dauerhafte Bedarfsunterdeckung des Antragstellers wird durch eine Gewährung des verfassungsrechtlich verbürgten unabweisbaren Zusatzbedarfs als Darlehen lediglich zeitlich verschoben, was zukünftig lediglich zu neuer Bedarfsunterdeckung führt und den Antragsteller in eine „Schuldenspirale“ treibt, was kaum dem Sozialstaatsgebot und dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen kann (vgl. zu derartigen Bedenken insoweit auch ausdrücklich: Herold-Tews in: Löns/Herold-Tews, SGB II – Grundsicherung für Arbeitsuchende, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 11; O’Sullivan, SGb 2005, 369, 371; Faber, NZS 2005, 75, 79; Däubler, NJW 2005, 1545, 154; Berlit, info also 2003, 195, 202; Lang in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 23, Rn. 64), denn der Hilfebedürftige muss auch in der Tilgungsphase Mittel für andere Anschaffungen ansparen können, um sein Existenzminimum decken zu können. In einem solchen Fall bedarf es daher einer Öffnungsklausel, die die nachteiligen zur dauerhaften Bedarfsunterdeckung führenden Folgen vermindert. Eine solche existiert im Bereich der Sozialhilfe nach dem SGB XII in § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB XII. Nach dieser Vorschrift werden Bedarfe abweichend (von den Regelsätzen) festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen im Falle des Antragstellers vor, weil sein notwendiger und angemessener (Mittel-)Bedarf zur Ausübung des Umgangsrechts mit seinem über 450 km entfernt wohnenden minderjährigen Kind in Höhe von monatlich 169,00 € erheblich von einem durchschnittlichen, von den Regelleistungen umfassten Bedarf abweicht. Unter Geltung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots ist nicht ersichtlich, weshalb der mit § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB XII im Bereich der Sozialhilfe gewährleistete Mindeststandard im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gelten soll (in dieser Richtung zutreffend: Däubler, NZS 2005, 225, 231; Bieback, NZS 2005, 337, 339; O’Sullivan, SGb 2005, 369, 372; Löschau, DAngVers 2005, 20, 28; ähnlich: SG Schleswig, Beschluss vom 09.03.2005, Az: S 2 AS 52/05 ER; Münder, NJW 2004, 3209, 3212; Brühl, info also 2004, 104, 108; Brünner in: Münder, Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 20, Rn. 22 – 24; Lang in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Aufl. 2005, § 20, Rn. 120). Wenn für verfassungsrechtlich relevante Sonderbedarfe im Sozialhilferecht eine Abweichung von der Regelleistung möglich ist, muss dieser Mindeststandard (zur Struktur der verfassungsrechtlich motivierten Mindeststandardargumentation – im Hinblick auf eine fehlende Härteklausel – vgl. unlängst: BSG, Urteil vom 09.12.2004, Az: B 7 AL 30/04 R; BSG, Urteil vom 09.12.2004, Az: B 7 AL 44/04 R; BSG, Urteil vom 09.12.2004, Az: B 7 AL 56/04 R; BSG, Urteil vom 27.01.2005, Az: B 7a/7 AL 34/04 R; BSG, Urteil vom 17.03.2005, Az: B 7a/7 AL 68/04 R; BSG, Urteil vom 17.03.2005, Az: B 7a/7 AL 78/04 R; BSG, Urteil vom 03.05.2005, Az: B 7a/7 AL 84/04 R; BSG, Urteil vom 25.05.2005, Az: B 11a/11 AL 51/04 R; BSG, Urteil vom 25.05.2005, Az: B 11a/11 AL 73/04 R) auch im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährleistet sein, weshalb die Gewährung eines bloßen Darlehens unzureichend und verfassungsrechtlich unzulänglich ist (in dieser Richtung auch: O’Sullivan, SGb 2005, 369, 372). Vor diesem Hintergrund kommt das erkennende Gericht im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller den zusätzlichen, unabweisbaren, anderweitig nicht gedeckten Sonderbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts im Wege verfassungskonformer Auslegung der Rechtsfolge des § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht lediglich als Darlehen, sondern als Zuschuss in analoger Anwendung der Rechtsfolge des § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 SGB XII zu gewähren hat (angesprochen, aber offengelassen von: SG Münster, Beschluss vom 22.03.2005, Az: S 12 AS 18/05 ER).
ff)
Das dem Antragsteller unter II. des Beschlusstenors auferlegte Nachweiserfordernis folgt aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach die abweichende Leistungserbringung „bei entsprechendem Nachweis“ zu gewähren ist.
Die Dauer der getroffenen einstweiligen Anordnung (6 Monate) entspricht § 41 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 SGB II, wonach die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes jeweils für 6 Monate bewilligt werden sollen. Gerechnet ab November 2005 endet dieser Zeitraum mit Ablauf des 30. April 2006.
Die der Antragsgegnerin auferlegte monatliche Vorleistungsverpflichtung entspricht § 41 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 SGB II, wonach die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes monatlich im Voraus erbracht werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und folgt der Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutzantrag. Eine Kostengrundentscheidung ist auch im voräufigen Rechtsschutzverfahren zu treffen (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Aufl. 2002, § 86b, Rn. 17 und § 193, Rn. 2; Zeihe, Kommentar zum SGG, Stand: April 2003, § 86b, Rn. 37f). Da der Antragsteller weder einen bezifferten Antrag noch einen solchen gestellt hat, der über den Beschlusstenor hinausgeht, kann das Gericht ein teilweises Unterliegen, mit der Folge der Bildung einer Kostenquote, nicht erkennen. Vielmehr ist das Gericht mit der Gewährung der notwendigen Kosten als Zuschuss und nicht lediglich – wie beantragt – als Darlehen, über den Antrag hinausgegangen, was nach § 123 SGG zulässig ist.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 SGG Beschwerde zum Sächsischen Landessozial-gericht statthaft. Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Sozialge-richt Dresden, Löbtauer Straße 4, 01067 Dresden, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Sächsischen Landessozialgericht, Parkstraße 28, 09120 Chemnitz, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Der Vorsitzende der 23. Kammer
Schnell
Richter am Sozialgericht