Stichworte
- Jugendamt
- - Akteneinsicht
Gerichte
- VG Aachen
Einsichtsrecht in Jugendamtsakten
....
Urteilstenor:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Zugang zu den in der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 vorgelegten Aufstellung in Spalte 6 aufgeführten Akten bzw. Aktenteile mit Ausnahme
der Akten über die Amtspflegschaft zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu drei Vierteln, die Beklagte zu einem Viertel.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin begehrt die Einsichtnahme in die ihren Sohn T. B. H. , geb. am 00.00.0000, betreffenden, beim Jugendamt der Beklagten geführten Akten.
Die Klägerin hatte ihren Sohn seit Aufnahme einer Berufstätigkeit im Ausland seit März 2005 bei der Mutter ihres früheren Ehemannes, also der Großmutter väterlicherseits des Kindes, Frau
X. S. , untergebracht, wo er seither lebt. Seit Dezember 2005 gab es zwischen Frau S. und der Klägerin Streitigkeiten über die Aufenthaltssituation des Kindes.
Mit Beschluss vom 27. September 2007 - 24 F 394/06 - hatte das Amtsgericht Düren ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihren Sohn entzogen und es dem Stadtjugendamt Düren als Pfleger
übertragen. Sodann fanden, teilweise begleitet durch einen Verfahrenspfleger, vierzehntätige Besuchskontakte zwischen der Klägerin und ihrem Sohn statt. Nach einem Besuchskontakt im Januar 2008
brachte die Klägerin, wie das Amtsgericht Düren in seinem Beschluss vom 1. Oktober 2009 - 24 F 76/09 - ausführt, das Kind abredewidrig zunächst nicht wieder zurück zur Großmutter, sondern erst
nach Ablauf einer Woche aufgrund einer Intervention des Jugendamts und des Gerichts. Danach brachen die Besuchskontakte zunächst ab.
Unter dem 7. April 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Einsicht "in die vollständigen Jugendamtsakten (Sorge und Umgang etc.) wie sämtliche Beiakten". Die Unterlagen würden
dringend zur Wahrung der Rechte der Eltern und des Kindes benötigt, seien unabdingbar für ein faires Verfahren.
Mit Bescheid vom 21. April 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, der Antrag sei unzulässig und unbegründet. Es bestünde zurzeit kein
Verwaltungsverfahren und liegen auch kein Antrag auf eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit vor. Ggf. könne Akteneinsicht beim Familiengericht begehrt werden.
In der Folgezeit ergingen weitere familiengerichtliche Entscheidungen. Mit dem bereits erwähnten Beschluss vom 1. Oktober 2009 - 24 F 76/09 - richtete das Amtsgericht Düren für den Sohn
der Klägerin eine Umgangspflegschaft ein und übertrug dem Umgangspfleger für die Dauer des Umgangs das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Außerdem regelte es die Modalitäten der Besuche der
Kindesmutter. Ihr wurde untersagt, mit dem Kind über eine Übersiedlung in ihren Haushalt zu sprechen. Zuvor waren, wie sich aus dem Gerichtsbeschluss ergibt, Beratungstermine gescheitert. Das
Amtsgericht führt aus, es sei zum Wohl des Kindes erforderlich, dass es im Haushalt der Großmutter wohnen bleibe. Erst wenn festgestellt werden könne, dass die lange unterbrochene Beziehung zur
Kindesmutter stabil und zuverlässig aufgebaut sei, komme ein Wechsel des Kindes zur Mutter in Betracht. Zu berücksichtigen sei, dass seit 1 3/4 Jahren kein Besuchskontakt mehr erfolgt sei,
weshalb für das Kind nur ein langsamer Aufbau der Beziehung verträglich sei. Dieses sei nach dem willkürlichen Rückzug der Mutter im Januar 2008 erheblich verunsichert und benötige - durch
zunächst begleitete Besuche - eine Absicherung, dass dies nicht erneut vorkomme. Dass die Beziehung des Kindes zur Mutter nicht schon längst wieder habe intensiviert werden können, sei maßgeblich
auf ihr Verhalten zurückzuführen. Allerdings habe auch die Großmutter den Kontakt nicht gefördert und auch Telefonkontakte unterbunden, habe aber immerhin, anders als die Klägerin, das
Beratungsangebot angenommen. Auch von der Großmutter müsse zum Wohl des Kindes verlangt werden, dass sie die künftigen Besuchskontakte zwischen Mutter und Kind in dem Wissen positiv begleite und
an einer konfliktfreien Durchführung der Besuche mitwirke, dass das Kind auch eine Beziehung zu seiner Mutter aufbauen können müsse. Mit einem Beschluss vom 28. Oktober 2009 im Verfahren 24 F
204/08 entzog das Amtsgericht Düren der Klägerin die Gesundheitsfürsorge und übertrug diese betreffend eine bestimmte Maßnahme der Gesundheitsfürsorge auf das Jugendamt als Pfleger. Zur
Begründung führte das Amtsgericht aus, Anfang 2008 seien zunehmende Verhaltensauffälligkeiten beim Kind festzustellen gewesen. Die Klägerin habe durch ihre Verweigerung eines Einverständnisses
mit weiteren ärztlichen Maßnahmen die nötige Behandlung blockiert. Nach einer Exploration im Februar 2009 habe man eine stressbedingte Leistungshemmung dadurch angenommen, dass durch die
Anwesenheit der Kindesmutter die Sorge- und Umgangsrechtsfrage im Raum gestanden habe. Es sei ein für das Kindeswohl schädliches Verhalten der Kindesmutter festzustellen, indem sie notwendige
ärztliche Behandlungsmaßnahmen nicht ermöglicht habe. Das Amtsgericht Düren lehnte mit einem weiteren Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 24 F 392/08 - den Antrag der Klägerin ab, das
Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sie zurück zu übertragen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Großmutter sei die engste Bezugsperson des Kindes, das auch den Wunsch habe, bei ihr zu
wohnen.
Das Oberlandesgericht Köln wies die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düren im Verfahren 24 F 204/08 mit Beschluss vom 26. Mai 2010 26 - UF 151/09 - zurück und
führte aus, die Kindesmutter lehne Zusammenarbeit mit der Großmutter ab. Sie habe über Monate nötige Therapien verzögert. Es fehle ihr diesbezüglich an Einsicht. Mit Beschluss vom 26. Mai 2010 in
der Sache 26 UF 150/09 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde der Klägerin gegen den o. g. Beschluss des Amtsgerichts Düren im Verfahren - 24 F 392/08 - zurück. Dort wird zunächst ausgeführt,
der Klägerin sei 2007 das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden, weil sie das Kindeswohl durch eine missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts gefährdet, nämlich das Kind in ihren Haushalt
verbracht habe. Eine Abänderung könne nur erfolgen, wenn diese Gefahr nicht mehr bestehe. Der Senat sehe das Kindeswohl weiterhin als gefährdet an, wenn die Kindesmutter das
Aufenthaltsbestimmungsrecht zurückerhalte, da sie dann das Kind aus seinem gewohnten Umfeld nehmen wolle. Dies sei kein ungerechtfertigter Eingriff in das Elternrecht. Das Kindeswohl sei der
letztlich entscheidende Maßstab. Die Angst des Kindes, im Rahmen eines Besuchskontaktes abredewidrig mitgenommen zu werden, habe sich verringert. Aber es zähle der Grundsatz der Kontinuität. Die
Großmutter sei die Hauptbezugsperson des Kindes. Dies habe besondere Bedeutung, da das Kind bereits im Kleinkindalter mehrere Brüche im Kontakt zu seinen Bezugspersonen habe verkraften müssen.
Zur Großmutter sei eine starke emotionale Bindung gegeben. Eine ähnlich tragfähige Beziehung habe sich zur Mutter, die ihren Sohn über Jahre nur gelegentlich und in der letzten Zeit regelmäßig
alle zwei Wochen besuche, zwangsläufig nicht entwickeln können. In diesem Zusammenhang sei auch Wunsch des Kindes von erheblicher Bedeutung.
Die Klägerin trägt vor, sie habe Anspruch auf die begehrte Akteneinsicht. Die Beklagte habe nach wie vor entgegenstehende Gründe, insbesondere durchgreifende Schutzrechte Dritter, nicht
hinreichend dargetan. Soweit die Beklagte auch Aktenteile nicht vorlegen wolle, die dem Jugendamt nicht zur erzieherischen oder persönlichen Hilfe anvertraut worden seien und bezüglich derer
keine Schutzrechte der Großmutter und des Kindesvaters gegeben seien, liege der Verdacht nahe, dass das Jugendamt gemachte Fehler nicht preisgeben wolle. Das Handeln des Jugendamtes sei nicht auf
das zukünftige Wohl des Kindes ausgerichtet.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 21. April 2008 zu verurteilen, ihr Zugang zu den vollständigen Jugendamtsakten (Sorge und Umgang etc.) wie sämtlichen Beiakten
betreffend das Kind T. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Klage könne keinen Erfolg haben.
Die personenbezogenen Jugendamtsakten unterlägen dem besonderen Datenschutz und seien auch nach dem Informationsfreiheitsgesetz besonders geschützt. Das Informationsfreiheitsgesetz für
das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) könne neben den bundesrechtlichen Vorschriften (§§ 65 ff. Sozialgesetzbuch, 8. Buch - SGB VIII -) nicht einschlägig sein. Die Klägerin könne im
Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht Akteneinsicht nehmen. Insofern fehle es für diese Klage auch am Rechtsschutzbedürfnis.
Der Antrag auf Einsichtnahme sei nicht hinreichend bestimmt genug. Außerdem gebe es keine Jugendamtsakte "T. N.", sondern es seien nur Vorgänge vorhanden, die sich mit dem Wohl des Kindes
beschäftigten. Insbesondere seien Akten aus folgenden Aufgabenbereichen zu nennen: Stellungnahmen zu Sorgerecht, Sicherstellung des Kindeswohls, z. B. bei Anträgen auf Sorgerechtsentzug in
Teilbereichen Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmungsrecht, und solche auf Anordnung des Familiengerichts. Weiter lägen etwa Stellungnahmen gegenüber dem Kinderarzt, dem Schulamt, dem
Jugendamt München oder dem Verfahrensbeistand, Arztbriefe, Erziehungsfähigkeitsgutachten, Korrespondenzen mit Schule, Beratungsstellen, dem Sozialpädiatrischen Zentrum,
Aufenthaltsbestimmungspfleger, Umgangspfleger, Großmutter, der Klägerin selbst, Auszüge aus staatsanwaltlichen Ermittlungsakten, psychologische Gutachten und Stellungnahmen vor sowie gerichtliche
Beschlüsse, Bestallungsbescheinigungen, Aufenthaltsermittlungen, ärztliche Bescheinigungen usw.
Es könne nicht sein, dass Derartiges offenbart werde. Werde generell bekannt, dass das Jugendamt ihm anvertraute Lebenssachverhalte zum Kind, z. B. ratsuchende Mitteilungen der
Pflegepersonen, Schulen, Kindergärten und Unterstützung aus dem Netzwerk, Beratungsstelle, Sozialpädiatrisches Zentrum, nach dem IFG NRW öffentlich mache, würden solche Gesprächspartner zum
Jugendamt kein Kontakt mehr aufnehmen.
Die Klägerin habe durch ihr Verhalten gezeigt, dass die die grundlegenden Bedürfnisse des Kindes nicht aus ihrem "Kampf" ausklammere. Das Kind sei inzwischen (im März 2009) vier Jahre in
der Großelternfamilie. Dieser seien die gesetzlichen Schutzrechte zu gewähren. Der Schutz der ungestörten Entwicklung des Kindes schließe auch das ungestörte Familienleben der Großeltern ein.
Auch eine Schwärzung der Personen und Lebenssachverhalte könne nicht sicherstellen, dass der "berechtigte" Insider die Informationen zuordnet und gegen die Familie oder das Hilfenetz richte. Die
Klägerin habe wiederholt die Familie mit Strafanzeigen gestört (z. B. wegen Verletzung der Aufsichtspflicht im Hinblick auf Computernutzung). Sie verlange etwa von Psychologen und anderen, ihre
Arbeit in Anwesenheit ihrer Beistände und/oder unter Ton/Video-Aufzeichnungen auszuführen.
Das Familiengericht habe in seinem Beschluss vom 27. September 2007 erheblich an der Erziehungsfähigkeit der Klägerin gezweifelt. Es lasse sich nur vermuten, dass die Kindesmutter den
"Sieg" über die um die Gunst des Kindes konkurrierende Großmutter eine größere Bedeutung zumesse als dem Wohl ihres Kindes.
Die Großeltern hätten ausdrücklich einer Einsichtsgewährung widersprochen. Die Einsicht würde die Pflegesituation des Kindes gefährden und damit die Möglichkeit, in einer Familie
aufzuwachsen, dies bedeute eine Kindeswohlgefährdung.
Eine Offenbarung der aus der gerichtlich angeordneten Pflegschaft bzw. Beistandschaft entstandenen Aktenteile komme insgesamt unter Berufung auf §§ 65, 68 SGB VIII nicht in Betracht, und
zwar auch solcher Aktenteile, die nicht i. S. v. § 65 Abs. 1 SGB VIII anvertraut worden seien bzw. bezüglich derer keine Rechte der Großeltern bzw. des früheren Ehemannes der Klägerin berührt
seien. Im Übrigen, hinsichtlich der Akten des Sozialdienstes des Jugendamts, verbleibe es ebenfalls insgesamt bei der Ablehnung des Aktenzugangs. Es müsse nämlich im Interesse des möglicherweise
von einer seelischen Behinderung bedrohten Kindes unter allen Umständen ein ungestörtes Pflegeverhältnis sichergestellt werden. Hierzu werde auf die Beschlüsse familiengerichtliche Beschlüsse des
Amtsgerichts Düren vom 27. September 2007, vom 1. Oktober 2009, 28. Oktober 2009 und die Beschlüsse des OLG Köln vom 26. Mai 2010 verwiesen. Die Beziehungen der Klägerin zur Großmutter hätten
sich zwar positiv verändert, aber leider vor dem Hintergrund einer Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes des Kindes, so dass neuerliche Belastungen der Sozialstruktur noch stärkere
Beeinträchtigungen des Kindes befürchten ließen. Die Zielsetzung des von der Klägerin angestrengten Verfahrens auf Akteneinsicht stelle eine Rückschau in die Vergangenheit dar, die für das Kind
kein positives Ziel haben könne. Auf die ergangenen familiengerichtlichen Beschlüsse werde verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen. Insbesondere wird auf
die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 7. September 2012 verwiesen, in der die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet
haben.
Mit Aufklärungsbeschluss vom 30. November 2011 hat das Gericht dem Beklagten aufgegeben, konkret darzulegen, 1. bei welchen der im Schriftsatz der Beklagten vom 31. August 2011
angegebenen Aktenteile bzw. -gegenstände es sich einerseits um solche Unterlagen handelt, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut worden sind, der zu persönlicher oder erzieherischer
Hilfe führen kann, 2. inwieweit es sich um Unterlagen handelt, die nach Ansicht der Beklagten personenbezogene Daten des früheren Ehemannes der Klägerin, Herrn T1. S. , und dessen Mutter, Frau X.
S. , enthalten, durch Vorlage einer Liste aller Vorgänge und ggf. Untervorgänge (durchnummeriert), zu denen jeweils notiert ist, ob sie in die Kategorie der Ziffern oben zu 1., zu 2. oder zu
keiner dieser Kategorien gehören.
Der Beklagte hat darauf mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 die folgende Aufstellung vorgelegt:
oder persönlicher Hilfe
Herrn T1 und Frau X. S. enthalten
nennen sind.
Aktenvorgang Pflegschaft betreffend T. B. H., geb. 00.00.0000
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Beteiligten hierauf in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2011 verzichtet und diesen
Verzicht auch nach den weiteren Ermittlungen des Gerichts (Aufklärungsbeschluss vom 30. November 2011) aufrecht erhalten haben.
Die Klage ist zulässig. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin könne auch in Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht Akteneinsicht nehmen, führt schon deshalb nicht zu einem Fehlen des
Rechtsschutzbedürfnisses, weil in einem jeweiligen familienrechtlichen Verfahren nur der dort jeweils streitgegenständliche Teil des Tätigwerdens des Jugendamts in Rede steht und nicht alle
Verwaltungsvorgänge beigezogen werden. Hinsichtlich der von ihr begehrten Einsichtnahme in sämtliche ihren Sohn betreffenden Akten, die sie - entgegen der Ansicht der Beklagten - bereits im
Verwaltungsverfahren in hinreichend bestimmter Weise verlangt hat, kann die Klägerin daher nicht auf die Einsichtnahme als Verfahrensbeteiligte im Rahmen einzelner amtsgerichtlicher Verfahren
verwiesen werden.
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 8. April 2009 ist bezüglich der im Tenor genannten Akten bzw. Aktenteile (siehe
Spalte 6 der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 vorgelegten Aufstellung ausschließlich der Akten über die Amtspflegschaft) rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten. Die
Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Anspruch auf Akteneinsicht.
Die Begründetheit der auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichteten Klage beurteilt sich je nach Art der Akten bzw. Aktenteile unterschiedlich. Es sind folgende Kategorien zu
unterscheiden:
1. Aktenteile, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut worden sind, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann (§ 65 Abs. 1 SGB VIII),
2. Aktenteile aus dem Bereich der Amtspflegschaft (§ 68 Abs. 1, 3 SGB VIII),
3. Aktenteile, die personenbezogene Daten des früheren Ehemannes der Klägerin, Herrn T1. S. , und dessen Mutter, Frau X. S. , enthalten,
4. sonstige Aktenteile, die den vorgenannten Einordnungen nicht unterfallen,
5. sonstige Aktenteile, zu denen die Klägerin bereits Zugang hatte.
Das Gericht geht im Folgenden von der durch die Beklagte vorgenommenen Einordnung der Akten und Aktenteile in die mit Aufklärungsbeschluss vom 30. November 2011 angeforderte Tabelle aus.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in der o. g. Tabelle zum Schriftsatz vom 27. Februar 2012 unzutreffende Einordnungen vorgenommen hat.
(1) Hinsichtlich der Akten und Aktenteile, die die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut worden sind, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann, hat die Klägerin
keinen Anspruch auf Aktenzugang. Dies sind die Aktenteile, die in der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 des Beklagten übersandten Tabelle in Spalte 4 aufgeführt sind. Im Einzelnen gilt
Folgendes:
Rechtlicher Maßstab für die Gewährung einer Akteneinsicht ist insoweit § 65 Abs. 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift besteht ein besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und
erzieherischen Hilfe. Sozialdaten, die dem Mitarbeiter eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe zum Zweck persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, dürfen nach § 65 Abs. 1
SGB VIII von diesem nur weitergegeben werden mit der Einwilligung dessen, der die Daten anvertraut hat, oder unter bestimmten Voraussetzungen dem Familiengericht oder unter bestimmten
Voraussetzungen an einen anderen Mitarbeiter des Jugendamtes oder an hinzugezogene Fachkräfte oder unter den Voraussetzungen, unter denen eine der in § 203 Abs. 1 oder 3 Strafgesetzbuch (StGB)
genannten Personen dazu befugt wäre. Aus dem Gesetzeswortlaut und dem Schutzzweck des § 65 SGB VIII folgt, dass es für seine Anwendbarkeit genügt, wenn es um Daten geht, die dem Jugendamt in
einem Zusammenhang anvertraut werden, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann. Dass eine solche Zweckgeeignetheit reicht, folgt aus dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 SGB VIII
("Sozialdaten, die ... zum Zweck persönlicher oder erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind, ..."). Der Schutzzweck, im Sinne des Kindeswohls geeignete Hinweise auf etwaige
Kindeswohlverletzungen zu erhalten, besteht auch dann, wenn im einzelnen Fall schließlich keine Maßnahmen eingeleitet werden (müssen),
Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 9. Februar 2006 - 2 A 199/05 -, Verwaltungsgericht München, Urteil vom 21. Oktober 2009 - M 18 K 08.6355 -.
Der Gesetzgeber hat sich mit § 65 Abs. 1 SGB VIII im Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Informationsinteresse eindeutig für die Geheimhaltung entschieden. Das Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat hierzu in einem ähnlichen Fall in seinem Beschluss vom 26. März 2008 im Verfahren 12 E 115/08, JAmt 2008, 389, ausgeführt:
"Tragender Grund für die rigorose Einschränkung der Informationsweitergabe durch das in § 25 Abs. 3 SGB X i. V. m. § 65 SGB VIII - in Abweichung von dem allgemeinen sozialrechtlichen
Akteneinsichtsrecht nach § 25 Abs. 1 SGB X - verankerte, besondere Weitergabeverbot von Sozialdaten in der persönlichen und erzieherischen Hilfe ist das staatliche Interesse an einer effektiven
Hilfeerbringung im Interesse des Hilfebedürftigen, in der Regel also die Gewährleistung des Kindeswohls, das in der Abwägung der widerstreitenden Interessen regelmäßig deutlich höher zu
veranschlagen ist, als das über die Ausnahmetatbestände des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII hinausgehende Informationsbedürfnis eines leiblichen und - wie hier - nicht sorgeberechtigten Vaters, dem
ohnehin durch die Beteiligung im jugendhilferechtlichen Verfahren und seine Rechtsstellung in den häufig parallel laufenden familien- und vormundschaftsgerichtlichen Verfahren, in denen die
Jugendämter nach § 50 SGB VIII mitwirken und unterrichten, Rechnung getragen ist. Grundlage der staatlich intendierten effektiven Hilfeerbringung im Interesse des Hilfebedürftigen ist die
besondere vertrauensvolle Personalbeziehung zwischen den Fachkräften des Jugendamtes einerseits sowie Leistungsberechtigten und sonstigen Dritten andererseits, die den Fachkräften Sozialdaten
anvertraut haben. Mit dem besonderen Weitergabeverbot des § 65 SGB VIII erkennt der Gesetzgeber aus fachlich- methodischen Gründen an, dass nur dann, wenn in dem hochsensiblen und
konfliktträchtigen Bereich der persönlichen und erzieherischen Hilfe gewährleistet ist, dass dem einzelnen Jugendamtsmitarbeiter anvertraute Sozialdaten - bis auf klar definierte
Ausnahmetatbestände - von diesem Jugendamtsmitarbeiter nicht weitergegeben werden (dürfen), sich in dem jeweiligen vielschichtigen Hilfeleistungsverhältnis das notwendige persönliche
Vertrauensverhältnis zu einem Jugendamtsmitarbeiter entwickeln kann, das die erforderliche Offenheit und Mitwirkungsbereitschaft erzeugt, die für einen Erfolg der Hilfeleistung im Interesse des
Hilfebedürftigen (und nicht zuletzt auch der staatlichen Gemeinschaft) letztlich unverzichtbar sind. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII knüpft die Beseitigung des besonderen Weitergabeverbots an
die Einwilligung desjenigen, der die Sozialdaten dem Mitarbeiter des Jugendamtes anvertraut hat. Dies kann, muss aber nicht immer zugleich auch der Betroffene sein. § 65 SGB VIII regelt insoweit
den Konflikt, der sowohl in § 203 StGB als auch in den §§ 67 ff. SGB X angelegt ist, wenn Betroffene und anvertrauende Personen nicht identisch sind, konsequent zugunsten des Anvertrauenden. Vgl.
Münder u.a., a.a.O., § 65 Rn. 11.
Damit stellt die genannte Regelung (sofern nicht die weiteren Ausnahmevorschriften der Nummern 2 bis 5 des Absatzes 1 eingreifen, wovon im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden kann)
im Interesse der Aufrechterhaltung des Vertrauens sicher, dass ausschließlich derjenige, der dem Mitarbeiter des Jugendamtes Sozialdaten anvertraut hat, auch weiterhin darüber entscheidet, ob und
ggf. an wen diese Informationen weitergegeben werden dürfen. Auf diese Weise vermeidet sie zudem - auf der Ebene des Weitergabeverbots - in verwaltungspraktikabler Weise und im Interesse der
Rechtssicherheit und Rechtsklarheit die im Falle der Maßgeblichkeit der Einwilligung von "Betroffenen" vielfach unklaren Grenzziehungen und Erschwerungen infolge gegenläufiger Interessen
unterschiedlicher "Betroffener", wie etwa bei der Einwilligung zur Weitergabe von Sozialdaten im Fall einer der Hilfeleistung vorangegangenen Kindesmisshandlung. Vgl. Münder, SGB VIII, 5. Aufl.
2006, a.a.O.
Eine gleichermaßen zur effektiven Hilfeleistung geeignete, verwaltungspraktische Gewährleistung der erforderlichen Vertrauensbasis, die in Abwägung der gegenläufigen Interessen in dem
hier in Rede stehenden sensiblen Bereich der persönlichen und erzieherischen Jugendhilfe die Rechtsposition eines leiblichen, nicht sorgeberechtigten Vaters aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1
EMRK weniger einschränkt, wird in der Beschwerdebegründung schon nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Das Weitergabeverbot des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII steht im vorliegenden Fall dem geltend gemachten Akteneinsichtsanspruch entgegen. Dass durch die begehrte Akteneinsicht - die nach
ihrem verlautbarten Zweck in der Sache auf die Einsichtnahme in sämtliche Aktenbestandteile gerichtet ist, die mittelbar oder unmittelbar Erkenntnisse über die Gründe vermitteln, die zur Übergabe
des Kindes an eine Pflegefamilie geführt haben und damit gerade auf die Einsichtnahme in Aktenbestandteile abzielt, die aufgrund fehlender Einwilligung gesperrte anvertraute Sozialdaten
beinhalten - i. S. d. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII anvertraute Sozialdaten zur Kenntnis des Klägers gelangen werden, wird in der Beschwerdebegründung nicht in Abrede gestellt. Auch ist
nichts dafür ersichtlich, dass entgegen der Behauptung des Beklagten die für eine Weitergabe der in den Akten vorhandenen anvertrauten Sozialdaten an den Kläger nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB
VIII erforderlichen Einwilligungen vorliegen, was eine erfolgreiche klageweise Geltendmachung des Akteneinsichtsbegehrens jedoch angesichts des Verbotscharakters des § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII
voraussetzt."
Das Gericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an,
vgl. ebenso VG Aachen, Urteil vom 9. September 2008 - 2 K 213/06 -, Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 11. Mai 2009 - 15 A 160/08 -, VG Oldenburg, Urteil vom 14.
Dezember 2009 - 13. A 1158/08 -, JAmt 2010, 152, NVwZ-RR 2010, 439, VG Göttingen, Urteil vom 9. Februar 2006 - 2 A 199/05 -.
Die Ausnahmen, unter denen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII eine Offenlegung von Daten erlaubt ist, bestehen hier nicht. Weder liegen Einwilligungen derer, die die Daten anvertraut
haben, noch die in der Vorschrift genannten Fälle der Weitergabe von Daten an das Familiengericht, Mitarbeiter des Jugendamts oder zugezogene Fachkräfte vor. Auch sind die Voraussetzungen des §
203 Abs. 1 oder StGB (Offenbarung von zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnissen durch Ärzte, Rechtsanwälte usw.) nicht gegeben.
Neben § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII besteht kein Raum für eine Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW), wonach jede natürliche Person
nach Maßgabe des IFG NRW Anspruch auf Zugang zu den bei den in § 2 IFG NRW genannten öffentlichen Stellen hat. Denn hier greift die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW, wonach besondere
Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht den Vorschriften des IFG NRW vorgehen. Um eine solche - hier
bundesrechtliche - besondere Vorschrift handelt es sich bei § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII, da sie den Zugang zu besonders schützenswerten, anvertrauten Sozialdaten zum Gegenstand hat. Die
Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW greift, wenn eine restriktive spezialgesetzliche Regelung für einen besonderen Sachbereich oder bestimmte Personengruppen besteht, bezüglich derer ein
umfassender Informationsanspruch wie in § 4 Abs. 1 IFG NRW dem Schutzzweck des Spezialgesetzes zuwider laufen würde,
vgl. zum Ausschluss des § 4 Abs. 1 IFG NRW durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII auch OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2008 - 2 E 115/08 -, a. a. O.
Dies ist hier der Fall. Der Gesetzgeber statuiert - wie oben ausgeführt - bezüglich der i. S. v. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII anvertrauten Daten eine besondere
Geheimhaltungsbedürftigkeit.
(2) Hinsichtlich der Akten aus dem Bereich der Amtspflegschaft gilt die besondere Regelung des § 68 Abs. 1, 3 SGB VIII. Sie behandelt abschließend die während und nach einer Pflegschaft
bestehenden Akteneinsichtsrechte.
Nach dieser Vorschrift (Abs. 1) dürfen die im Rahmen der Pflegschaft anfallenden Sozialdaten zum Zweck der Aufsicht, Kontrolle oder Rechnungsprüfung durch die dafür zuständige Stelle an
diese im Einzelfall übermittelt werden. Darum geht es hier ersichtlich nicht.
Nach § 68 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII kann, wer unter Pflegschaft gestanden hat, nach Vollendung des 18.
Lebensjahres die zu seiner Person gespeicherten Informationen einsehen, soweit nicht berechtigte Interessen Dritter entgegenstehen. Vor Vollendung des 18. Lebensjahres können ihm nach Satz 2 der Vorschrift die gespeicherten Informationen bekannt gegeben werden, soweit er die erforderliche Einsichts-
und Urteilsfähigkeit besitzt und keine berechtigten Interessen Dritter entgegenstehen. Auch diese Sachverhalte sind hier bei dem von der Mutter des minderjährigen Pfleglings geltend
gemachten Anspruch nicht gegeben.
Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII hat darüber hinaus der Elternteil, der die Beistandschaft beantragt hat,
nach Beendigung einer Beistandschaft einen Anspruch auf Kenntnis der gespeicherten Daten, solange der junge Mensch minderjährig ist und der Elternteil antragsberechtigt ist. Diese Vorschrift kann
ersichtlich der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
Das Gericht sieht die genannten Regelungen des § 68 SGB VIII ebenfalls als besondere Rechtsvorschriften i. S. d. § 4
Abs. 2 IFG NRW an, die die Anwendbarkeit des IFG NRW ausschließen. Zur Begründung wird auf die auch insoweit geltenden Ausführungen zu § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII verwiesen.
(3) Hinsichtlich der Akten oder Aktenteile, die personenbezogene Daten des früheren Ehemannes der Klägerin, Herrn T1. S. , und dessen Mutter, Frau X. S. , enthalten und nicht zugleich
bereits den oben behandelten Punkten Kategorien unterfallen, gilt Folgendes:
Ein diesbezüglicher Akteneinsichtsanspruch besteht ebenfalls nicht, weil die Voraussetzungen des insoweit einschlägigen § 25 SGB X nicht erfüllt sind. Nach § 25 Abs. 1 SGB X hat die Behörde den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren
Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Das Akteneinsichtsrecht setzt damit das Vorhandensein eines rechtlichen Interesses voraus; ein nur
berechtigtes Interesse, sei es wirtschaftlicher oder ideeller Natur, reicht nicht aus,
Rombach in: Hauck/Noftz, SGB, Stand: April 2012, § 25 SGB X, Rdnr. 7, 8; Thieme in: Wannagat, SGB X, Rdnr. 4,
5.
Dass die begehrte Akteneinsicht zur Geltendmachung oder Verteidigung rechtlicher Interessen der Klägerin erforderlich ist, ist nicht feststellbar. Die Klägerin hat solche rechtlichen
Interessen nicht dargetan. Sie hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2011 mitgeteilt, auch wenn sie zurzeit mit der Großmutter ihres Sohnes wieder eine relativ gute
Gesprächsbasis gefunden habe und mit ihr bezüglich des Kindes in Zukunft einen gemeinsamen Weg gehen wolle, sei ihr doch daran gelegen, zu erfahren, was genau in der Vergangenheit passiert sei.
Damit hat sich die noch mit Akteneinsichtsantrag vom 7. April 2008 angesprochene Wahrung ihrer Rechte und der des Kindes zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens offenbar durch die weitere
Entwicklung des Verhältnisses der Klägerin zu Frau S. überholt. Die betreffenden, von der Klägerin wohl gemeinten familiengerichtlichen Verfahren sind seit langem beendet, so dass sie im Rahmen
eines Leistungsanspruchs, für den es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, nicht mehr von Bedeutung sind. Mit ihrem erwähnten Vorbringen in der
mündlichen Verhandlung vom 7. September 2011 hat die Klägerin das Vorhandensein eines ideellen, aber nicht eines rechtlichen Interesses belegt. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, in welche
Art rechtlicher Auseinandersetzungen jetzt die Kenntnis der Akten des Jugendamts aus der Vergangenheit einmünden könnte. Dies gilt zumal angesichts der erklärten Absicht der Klägerin, eine
einvernehmliche Handhabung der zukünftigen Fragestellungen bezüglich ihres Sohnes mit der Großmutter anzustreben.
Auch scheitert ein Akteneinsichtsanspruch an § 25 Abs. 3 SGB X. Der in § 25 SGB X geregelte allgemeine sozialverfahrensrechtliche Akteneinsichtsanspruch findet seine Grenze in den
berechtigten Interessen Dritter oder sonst Geheimhaltungsinteressen Beteiligter. Nach § 25 Abs. 3 SGB X ist die Behörde zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der
Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen. Dies ist hier der Fall.
Die beiden Personen, um deren personenbezogene Daten und damit rechtliche Interessen es hier geht, der frühere Ehemann der Klägerin, T1. S. , und dessen Mutter, X. S. , haben der
Offenlegung der sie betreffenden Aktenteile nicht zugestimmt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass objektive Gründe im Rahmen einer Güterabwägung dazu führen, dass hier von einem überwiegenden
schutzwürdigen rechtlichen Interesse der Klägerin an der Akteneinsicht ausgegangen werden muss. Schon allein deshalb ist ein Akteneinsichtsanspruch aus § 25 SGB X insoweit nicht
gegeben.
Auf die weiteren sich aus § 25 SGB X stellenden Fragen, ob die Klägerin als sorgeberechtigte Kindesmutter in den ihren Sohn betreffenden Verfahren als Verfahrensbeteiligte i. S. d. § 12
Abs. 2 SGB X anzusehen ist, soweit es sich um auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtete Verfahren handelt, und inwieweit dies etwa bei einem Tätigwerden des Jugendamts nach § 50 SGB VIII
nicht der Fall ist und auf die Frage des Andauerns eines Verwaltungsverfahrens, kommt es somit nicht an.
Ein entsprechender Anspruch folgt auch nicht aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Diese Vorschrift ist allerdings neben § 25 SGB
X anwendbar. Letztgenannte Vorschrift ist keine besondere Rechtsvorschrift i. S. d. § 4 Abs. 2 IFG NRW, die den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW verdrängt.
Das Eingreifen der Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 IFG NRW setzt voraus, dass die beiden zueinander in
Beziehung zu setzenden Vorschriften denselben Sachverhalt abschließend regeln. Ist eine spezialgesetzliche Regelung für einen besonderen Sachbereich oder bestimmte Personengruppen restriktiver,
so ist zu prüfen, ob diese Grenzen auch für den Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bindend sind. Dies wird zu bejahen
sein, wenn ein umfassender Informationsanspruch, wie ihn § 4 Abs. 1 IFG NRW zum Gegenstand hat, dem Schutzzweck des
Spezialgesetzes zuwider laufen würde.
Dies ist hier nicht der Fall. Der Regelungsbereich des § 25 SGB X ist enger als der des § 4 Abs. 1 IFG NRW. Während § 4 Abs. 1 IFG NRW im Grundsatz einen Informationszugangsanspruch für
"jedermann" einräumt, ohne dass hieran bedingte Bedingungen geknüpft sind, regelt § 25 SGB X für das Sozialverwaltungsverfahren - ebenso wie die jeweiligen §§ 29 der Verwaltungsverfahrensgesetze
des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen - ein Akteneinsichtsrecht Verfahrensbeteiligter bei Vorhandensein eines besonderen Interesses für die Dauer des Verwaltungsverfahrens, also für einen
beschränkten Anwendungsbereich. Nur für diesen Anwendungsbereich schließt § 25 SGB X als speziellere Regelung die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 IFG NRW aus. Darüber hinaus greift § 4 Abs. 1 IFG
NRW ein, was dem Schutzzweck des § 25 SGB X nicht zuwider läuft, weil auch der Informationszugangsanspruch nach dem IFG bestimmten Beschränkungen unterliegt (§§ 6 ff. IFG NRW). Daraus folgt, dass jemand, der nicht verfahrensbeteiligt ist, dem es für einen Anspruch nach § 25 SGB X an einem
rechtlichen Interesse fehlt oder dessen Verwaltungsverfahren bereits beendet ist, durchaus einen Anspruch auf Akteneinsicht nach dem IFG NRW haben kann,
OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 -.
Soweit das Oberverwaltungsgericht diese Frage in einer neueren Entscheidung offen lässt, aber § 35 SGB I
(Sozialdatengeheimnis) anspricht,
OVG NRW, Beschluss vom 26. März 2008 - 2 E 115/08 -, a. a. O.,
sieht sich das Gericht nicht veranlasst, eine andere Rechtsauffassung einzunehmen. Denn wie der bereichsspezifische Datenschutz nach § 35 SGB I für Sozialdaten gilt im Übrigen die
allgemeine Regelung über das Datengeheimnis in § 6 Datenschutzgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (DSG NRW). Die aus § 35 SGB I in Verbindung mit den §§ 67 ff. SGB X folgenden besonderen Verpflichtungen betreffen den Umgang mit Sozialdaten innerhalb der Verwaltung und richten sich z. B. an Personen
innerhalb des Leistungsträgers, an Personalstellen, Verbände oder Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger, andere Behörden und dergleichen. Sie haben im Weiteren die Erhebung, Verarbeitung und
Nutzung, Speicherung und Veränderung zum Gegenstand sowie die Übermittlung für Aufgaben der Polizeibehörden, der Staatsanwaltschaften und Gerichte, der Behörden der Gefahrenabwehr oder zur
Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Ansprüche, für die Erfüllung sozialer Aufgaben, für die Durchführung des Arbeitsschutzes, für die Erfüllung besonderer gesetzlicher Pflichten und
Mitteilungsbefugnisse, für den Schutz der inneren und äußeren Sicherheit, für die Durchführung eines Strafverfahrens, bei Verletzung der Unterhaltspflicht und beim Versorgungsausgleich, für die
Forschung und Planung, ins Ausland und an über- oder zwischenstaatliche Stellen und dergleichen. Soweit die §§ 76 und 78 SGB
X besondere Geheimhaltungspflichten und Einschränkungen von Übermittlungsbefugnissen regeln, schließt sich der Kreis zu den unter (1) und (2) behandelten besonderen, streng schutzwürdigen
Daten, die aber - wie ausgeführt - nicht unter die hier zu prüfende Akteneinsicht nach § 25 SGB X in Daten anderer
Kategorie fallen. Deshalb geht das Gericht davon aus, dass die bereichsspezifische Datenschutzregelung des § 35 SGB I
jedenfalls auf den hier zu untersuchenden Anspruch nach § 25 SGB X und die Frage der Subsidiarität des IFG NRW nicht
durchschlägt.
Für die Klägerin folgt hieraus dennoch kein Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW, weil hier der § 9 IFG NRW einem Informationszugangsanspruch entgegen steht. Nach dieser Vorschrift ist, wenn
in den fraglichen Akten personenbezogene Daten Dritter enthalten sind, der Antrag auf Informationszugang unter bestimmten Voraussetzungen abzulehnen. Ein Ablehnungsgrund ist nach § 9 Abs. 1 a)
IFG NRW gegeben, wenn die betroffene Person nicht in den Informationszugang eingewilligt hat. Dies ist hier der Fall.
Allerdings lässt § 9 Abs. 1 e) IFG NRW einen Informationszugang trotz fehlender Einwilligung dann zu, wenn die
Antragstellerin oder der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Kenntnis der begehrten Information geltend macht und überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen Person der
Offenbarung nicht entgegenstehen. Vorliegend hat die Klägerin ein solches rechtliches Interesse nicht überzeugend geltend gemacht. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen zum rechtlichen
Interesse im Rahmen der Prüfung des des § 25 SGB X verwiesen werden.
Abgesehen davon erfordert § 9 Abs. 1 e) IFG NRW neben dem Vorhandensein eines rechtlichen Interesses
zusätzlich, dass die Abwägung der widerstreitenden Interessen ein Überwiegen der auskunftsbegehrenden Person ergibt. Es müssen einer Offenbarung überwiegende schutzwürdige Belange der betroffenen
Person nicht entgegenstehen. Es ist nicht feststellbar, dass die Interessen der Klägerin an einer Offenbarung dem Interesse des Herrn und der Frau S. an der Geheimhaltung in diesem Sinne
vorgehen.
(4) Rechtslage bezüglich sonstiger Aktenteile, die den vorgenannten Einordnungen nicht unterfallen:
Die Klägerin hat diese Aktenteile betreffend, nämlich im Umfang der in der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 vorgelegten Aufstellung in Spalte 6 aufgeführten Akten mit Ausnahme der
Akten über die Amtspflegschaft, einen Anspruch auf Akteneinsicht. Es handelt sich dabei um die Akten bzw. Aktenteile, die weder Unterlagen sind, die dem Jugendamt in einem Zusammenhang anvertraut
worden sind, der zu persönlicher oder erzieherischer Hilfe führen kann, [besonders geschützt durch § 65 Abs. 1 SGB
VIII, siehe oben (1)] noch Akten betreffend die Amtspflegschaft [besonders geschützt durch § 68 Abs. 1, 3 SGB
VIII, siehe oben (2)] oder Akten, hinsichtlich derer der Schutz personenbezogener Daten der Frau S. und des Herrn S. zu beachten ist. Mit anderen Worten: Dies sind Akten bzw. Aktenteile,
die nach der eigenen Einordnung durch die Beklagte in die mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 übersandte Tabelle in keiner Weise schutzbedürftig sind.
Der Akteneinsichtsanspruch der Klägerin folgt nicht aus § 25 SGB X. Denn auch hier gelten die Ausführungen zu (3), wonach es an dem in dieser Vorschrift vorausgesetzten rechtlichen
Interesse fehlt. Auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Der Anspruch ergibt sich aus dem neben dem § 25 SGB X anwendbaren [siehe hierzu ebenfalls oben zu (3)]
§ 4 Abs. 1 IFG NRW.
Einem Anspruch aus § 4 Abs. 1 IFG NRW bezüglich dieser durch besondere Vorschriften des SGB VIII nicht
geschützten Aktengegenstände steht kein Ausschlussgrund entgegen. Die nach §§ 6 ff. IFG NRW geregelten
Ausschlussgründe betreffen den Schutz öffentlicher Belange und der Rechtsdurchsetzung, den Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, den
Schutz personenbezogener Daten [hierzu siehe oben (3)]. Sie sind hier ersichtlich nicht einschlägig.
Der Vortrag der Beklagten, die in Spalte 6 der o. g. Aufstellung aufgeführten Unterlagen seien der Klägerin trotz dieser Einordnung nicht zur Verfügung zu stellen, weil das Wohl des
Kindes dies erfordere, findet keine gesetzliche Stütze. Es ist durchaus so, dass dann, wenn ein Teil von Jugendamtsakten z. B. dem besonderen Schutz des § 65 Abs. 1 SGB VIII unterfällt, sich für den Rest der Akten aber keine gesetzliche Schutzvorschrift finden lässt, entsprechend dem tatbestandlich exakt
definierten gesetzlichen Schutzanspruch nur der geschützte Teil einer Akteneinsicht entzogen ist, weil dem Geheimhaltungsbedürfnis damit genügt ist. Dagegen trifft die offenbar vom Jugendamt der
Beklagten eingenommene Auffassung nicht zu, dass nach dem Willen des Gesetzgebers "automatisch" auch der Rest der Akten von der Wirkung des § 65 Abs. 1 SGB VIII umfasst sein soll.
Die Argumentation der Beklagten, das Kindeswohl stehe einer Offenbarung auch insoweit entgegen, ist abgesehen davon, dass ihr - wie ausgeführt - ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt fehlt,
letztlich nicht plausibel.
Die Vorstellung, dass die von der Klägerin begehrte Akteneinsicht grundsätzlich dem berechtigten Interesse des Sohnes der Klägerin an einer Stabilisierung und positiven Weiterentwicklung
seiner Situation widerspricht, folgt aus einer Befürchtung, die sich auf das mögliche Verhalten der Klägerin bezieht. Diese beabsichtigt einerseits sicherlich, dass ihr Sohn sie als verlässliche
Bezugsperson begreifen lernt, die sein Interesse an der Beibehaltung einer geschützten häuslichen Umgebung unter Kontinuität der Hauptbezugsperson akzeptiert oder diesbezüglich sogar
stabilisierend wirkt. Andererseits ist die Motivation der Klägerin auch für diese Klage nach einer jahrelangen Phase eines emotional stark belasteten Verhältnisses zur Großmutter ihres Kindes
weitestgehend noch davon gekennzeichnet, die Vorwürfe, diese habe sie zu Unrecht durch unwahre Angaben gegenüber dem Jugendamt belastet, aufzuklären. Es erscheint dem Jugendamt als nicht sicher,
ob es der Klägerin im Fall einer vollständigen Akteneinsicht gelingen könnte, etwaige Belege für ein Fehlverhalten der Großmutter oder auch des Jugendamtes so zu handhaben, so "für sich zu
behalten", dass die durch Wechsel und Beziehungssabbrüche filigrane seelische Stabilität des Kindes mit Sicherheit nicht leiden würde.
Diese Befürchtung ist aber nur bezüglich solcher Akten und Aktenteile nachvollziehbar, die geeignet wären, den Spannungen zwischen den beiden beteiligten Frauen neuen "Brennstoff"
zuzuführen. Das Jugendamt der Beklagten beachtet nicht, dass es bei den unter Spalte 6 der mit Schriftsatz vom 27. Februar 2012 vorgelegten Aufstellung genannten Unterlagen gerade nicht um
derartig geeignete Inhalte geht. Vielmehr sind die insoweit "bedenklichen" Aktenteile kraft besonderer gesetzlicher Schutzanordnungen zuvor "ausgefiltert" und von der Akteneinsicht, genauer dem
Informationszugang nach § 4 Abs. 1 IFG NRW, ausgenommen. Bedenken hinsichtlich des Kindeswohls ergeben sich daher nicht. Dass das Jugendamt der Beklagten auf die Anfrage des Gerichts vom 2. März
2012 dennoch auch bezüglich dieser unbedenklichen Aktenteile an seinem ablehnenden Standpunkt festhält, nährt nach ihrem Vortrag bei der Klägerin den Verdacht, das Jugendamt habe sich früh auf
die Seite der (wie die Klägerin selbst nicht durchgängig regelgerecht agierenden) Großmutter geschlagen und etwas "zu verbergen", zumal nicht deutlich ist, ob das Jugendamt, wenn es - auch im
letzten Schriftsatz des Beklagten - vortragen lässt, der Schutz der ungestörten Entwicklung des Kindes schließe auch das ungestörte Familienleben der Großeltern ein, es damit schon frühzeitig als
gerechtfertigt ansah und noch ansieht, die Kindesmutter, die zwar nicht über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge, aber im Übrigen über das Sorgerecht verfügt, von
hinreichenden Informationen über das Kind auszuschließen und Informations- und Einbindungswünsche der Mutter bereits als "Störung" aufzufassen. Dieser Frage ist hier allerdings nicht weiter
nachzugehen.
(5) Rechtslage bezüglich sonstiger Aktenteile, zu denen die Klägerin bereits Zugang hatte:
Hierbei handelt es sich um Dokumente, die der Klägerin selbst z. B. in familienrechtlichen Verfahren durch das Gericht bzw. ihren Prozessbevollmächtigten übersandt worden sind, nämlich
Ladungen und Gerichtsbeschlüsse. Diese müssen der Klägerin gemäß § 5 Abs. 4 IFG NRW nicht (erneut durch die Beklagte)
offen gelegt werden, da sie hierzu bereits Zugang hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.