Das Wohl des Kindes hat Vorrang

Das Wohl des Kindes hat Vorrang

 

Am Ellwanger Amtsgericht wird bei Scheidungen nicht nur gestritten, sondern nach dem Elternkonsens Ostalb geschlichtet

 

Bei Ehescheidungen wurde in der Vergangenheit häufig besonders erbittert vor Gericht gestritten, vor allem um das Sorgerecht und das Umgangsrecht für die gemeinsamen Kinder. Mit dem „Elternkonsens Ostalb“ (EKO) hat eine Arbeitsgemeinschaft der am Verfahren Beteiligten, also Richter, Jugendamt, Rechtsanwälte, psychologische Berater und Verfahrensbeistände, ein Schlichtungsmodell entwickelt, das Scheidungskinder weniger belastet.

 

Gerhard Königer

 

Ellwangen. Wenn eine Ehe zerbricht, wird oft mit allen rechtlichen Mitteln gestritten, wobei vielfach verletzter Stolz und verletzte Gefühle sowie Ängste, etwa um den Verlust der Kinder, die eigentliche Triebfeder sind. Die Systematik herkömmlicher Scheidungsverfahren, bei dem die Anwälte für ihre Mandanten mit Schriftsätzen und vor Gericht um viele einzelne Punkte streiten, oftmals Gutachter und Gegengutachter bemüht werden, veranlasste Richter, Anwälte, Jugendämter und andere Beteiligte, nach einem Weg zu suchen, der das Verfahren auch zum Schutz der Kinder deutlich verkürzt.

Im Ostalbkreis wird seit 2008 das Modell „Elternkonsens Ostalb“ angeboten, an dem Kläger und Beklagte von Ehescheidungen teilnehmen können.

Gerhard Rettenmaier, Sachgebietsleiter Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD) vom Fachbereich „Jugend und Familie“ am Landratsamt Aalen stellte dieses Verfahren vor: Der Anwalt einer Scheidungspartei muss lediglich den entsprechenden Antrag an das Familiengericht stellen. Das vereinbart mit dem Jugendamt einen Termin zur mündlichen Verhandlung. Zwei bis vier Wochen haben die Mitarbeiter des ASD nun in der Regel Zeit, um mit den Eltern ein gemeinsames Beratungsgespräch zu führen.

Alfred Rachfahl berichtet, wie solche Beratungsgespräche ablaufen: Im Dialog werden schnell die Ängste deutlich, die hinter dem Streit stehen. Und es wird herausgestellt, was für die Kinder gut ist, was ihnen schadet. Die Sozialarbeiter beraten über Wege, den Umgang so zu gestalten, dass beide Streitenden sich darauf einlassen können. „Das geht so weit, dass wir helfen festzulegen, wo das Auto bei der Übergabe der Kinder zu parken ist.“

Gelingt es den Eltern, sich in diesem Beratungsgespräch zu einigen, wird dies bei der mündlichen Verhandlung vorgetragen. 90 Prozent der Fälle werden so abgeschlossen. Kommen die Streitenden jedoch nicht zur Einigung, wird ein zweiter Verhandlungstermin festgelegt. Es werden eine Familienberatungsstelle eingeschaltet und oft auch ein Verfahrensbeistand, der die Rechte der Kinder vertritt.

Frank Svoboda (Familienberatungsstelle in der Marienpflege) trifft sich mit den Eltern und versucht nun bei maximal fünf Beratungsterminen die strittigen Fragen zu klären. Im günstigsten Fall wird am Ende gemeinsam ein entsprechender Schriftsatz an das Familiengericht erarbeitet und mit der zweiten mündlichen Verhandlung endet der Streit.

Stehen sich die Beteiligten unversöhnlich gegenüber, schaltet das Familiengericht einen Verfahrensbeistand ein, der die Interessen des Kindes vertritt. Sabine Glock schildert, wie ein solcher Beistand arbeitet: Sie besucht das Kind mehrfach, sowohl bei der Mutter wie beim Vater, und berichtet dem Familiengericht sowohl die subjektiven, vom Kind selbst geschilderten Wünsche, wie auch seine objektiven Interessen, die sie selbst beurteilt. Das Kind kann auch direkt vom Familienrichter angehört werden, im Vorfeld der zweiten mündlichen Verhandlung.

Zwischen fünf und zehn Prozent der Streitfälle sind auch bei der zweiten mündlichen Verhandlung nicht zu regeln. Dann kommt es zu einem weiteren Verhandlungstermin, bei dem das Familiengericht nach herkömmlichem Verfahren ein Urteil spricht.

Was Anwälte tun können zum Wohl des Kindes

Die Rechtsanwältin Ursula Klozbücher schildert, wie die Anwälte bei EKO zu einer schnellen Schlichtung beitragen können: Sie führen zunächst ein Beratungsgespräch, um den Kern des Problems zu ermitteln. Sie orientieren ihre Arbeit am Wohl des Kindes, das ja in der Regel auch dem Mandanten wichtig ist. Schriftsätze an die Gegenpartei beziehungsweise das Gericht werden möglichst kurz und ohne verletzende Vorwürfe verfasst. Allerdings macht sie darauf aufmerksam, dass nicht alle Anwälte bereit sind, nach dem Modell EKO zu arbeiten, weshalb sich Mandanten vorher über die Arbeitsweise eines Anwalts informieren sollten.

Gerhard Rettenmaier ist überzeugt, dass das Modell EKO nicht nur den am Ehestreit Beteiligten hilft, sondern auch gesamtgesellschaftlich von Nutzen ist. Erwiesenermaßen leiden Kinder mehr, je länger ein „Rosenkrieg“ andauert. Eine schnelle Einigung verspricht deshalb auch, die psychischen Belastungen der Kinder zu begrenzen.


Zentrales Instrument von EKO sind die regelmäßigen Treffen des Arbeitskreises, erklärt Rechtsanwalt Jan Claudius Hohberg. So können alle Aspekte der Trennungsproblematik erfasst werden und manche Probleme werden „auf dem kleinen Dienstweg“ erledigt, ohne langen Rechtsstreit. Er sieht in dem Schlichtungsmodell auch nicht nur die Kinder als Gewinner, weil sie möglichst schnell wieder in „geregelten Verhältnissen“ leben können. Auch die Streitenden profitieren letztlich, weil sich über den Dialog zu den Kindern nicht selten auch andere Streitpunkte, etwa zu Vermögensfragen, leichter bereden lassen.

© Schwäbische Post 19.09.2012

 

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